Online-Austausch der Arbeitsgemeinschaft der Bürgerbeauftragten der Länder zur europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und ihren Auswirkungen auf die Tätigkeit der Bürgerbeauftragten
Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) setzt seit ihrem Inkrafttreten am 25. Mai 2018 europaweit einheitliche datenschutzrechtliche Standards. Wie bei anderen Rechtstexten stellt sich auch bei ihr die Frage, wer von ihren Regelungen im konkreten Fall betroffen und dementsprechend verpflichtet ist. Gemäß Artikel 2 Abs. 2 lit. a) DSGVO findet diese nämlich keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. Deshalb besteht die Auffassung, dass parlamentarisch-politische Aufgabenwahrnehmung nicht von der DSGVO erfasst ist, weil sie dem nationalen Recht der einzelnen Mitgliedsstaaten zuzuordnen sei. Insofern, so die Schlussfolgerung, seien u.a. die Landtage aufgrund ihres verfassungsrechtlichen Status und ihrer aus der Verfassung folgenden Sonderrolle im Bereich parlamentarisch-politischer Tätigkeiten der DSGVO nicht unterworfen.
Was das für die von den Landtagen gewählten Bürgerbeauftragten der Bundesländer Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen konkret bedeutet, erörterte die Arbeitsgemeinschaft der parlamentarisch gewählten Bürgerbeauftragten am 28.02.2022 in einer Videokonferenz.
Die Bürgerbeauftragten sind Hilfsorgane des jeweiligen Parlaments bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive. Deshalb drängt es sich förmlich auf, auch sie als vom Geltungsbereich der DSGVO ausgenommen zu betrachten. Denn die Organisation der nationalen Parlamente als erste Gewalt fällt grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts, weil dies die nationale Identität der Mitgliedstaaten, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsgemäßen Strukturen zum Ausdruck kommt, respektiert.
Unsicherheit ausgelöst hat allerdings ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 09.07.2020 (Az.: C-272/19), worin das Gericht die Auffassung vertritt, dass für den Petitionsausschuss eines Gliedstaates eines Mitgliedsstaates (im entschiedenen Fall: der Petitionsausschuss des Hessischen Landtags) keine der in der DSGVO geregelten Ausnahmen vom Geltungsbereich greife. Soweit der Petitionsausschuss allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung entscheide, sei er „Verantwortlicher“ im Sinne der DSGVO. Für die von dem Ausschuss vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten gelte daher Art. 15 DSGVO, die den betroffenen Personen ein Recht auf Auskunft über die sie betreffenden personenbezogenen Daten verleihe. Denn die Tätigkeit des Petitionsausschusses sei nicht ausschließlich politisch, sondern gleichermaßen administrativ.
Vor diesem Hintergrund sieht sich die Arbeitsgemeinschaft der parlamentarisch gewählten Bürgerbeauftragten Deutschlands vor die Frage gestellt, ob bzw. inwieweit die DSGVO für die Arbeit der jeweiligen Bürgerbeauftragten Anwendung findet. Von Bedeutung ist diese Frage deshalb, weil die DSGVO demjenigen, dessen Daten verarbeitet werden, weitreichende Auskunftsrechte einräumt, dies aber für die effektive, sachdienliche Bearbeitung von Bürgeranliegen – auch im Kontakt zu beteiligten Behörden – sehr kontraproduktiv sein kann. Die Geltung der DSGVO auch für die Arbeit der Bürgerbeauftragten würde deren Funktionsfähigkeit schlichtweg lahmlegen.
Eine Klärung dieser für die Bürgerbeauftragten sehr wichtigen Frage ist durch die Schaffung parlamentarischer Datenschutzordnungen, die sich der jeweilige Landtag auf der Grundlage der Parlamentsautonomie in Ausübung seines Selbstorganisationsrechtes gibt, und der Einbeziehung der Bürgerbeauftragten in deren Geltungsbereich möglich. Thüringen hat hier bereits eine gute Lösung gefunden, weil der Bürgerbeauftragte gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Nr. 6 der parlamentarischen Datenschutzordnung des Thüringer Landtags in deren Geltungsbereich einbezogen ist. Eine dementsprechende Klarstellung in den übrigen Bundesländern betrachten die Bürgerbeauftragten als wünschenswert.