Pferdehaltung im Wohngebiet – darf man das?
Mit dieser Frage konfrontierten Bürger den Bürgerbeauftragten in jüngster Zeit gleich mehrfach. Auslöser war der Umstand, dass Nachbarn der Rat suchenden Bürger im unmittelbaren Wohnumfeld, also im Garten bzw. im Keller der benachbarten Doppelhaushälfte, Pferdehaltung betrieben bzw. betreiben wollten. Die betroffenen Nachbarn waren davon aber wegen der von ihnen befürchteten und teilweise auch schon eingetretenen negativen Auswirkungen insbesondere durch Gerüche nicht sonderlich angetan und holten sich daher Rat beim Bürgerbeauftragten.
Das zwischenmenschliche Problem:
Wo Menschen miteinander leben und von ihren Grundrechten Gebrauch machen – und um nichts anderes geht es auch beim vorliegenden Thema –, kommt es nicht selten zu Konflikten, weil das, was dem einen lieb ist, vom anderen als Eingriff in seine berechtigten Belange wahrgenommen wird. Tierhaltung auf dem Grundstück und ihre Auswirkungen auf die Nachbarn ist nur ein Beispiel dafür.
Die rechtliche Ausgangslage:
In Artikel 14 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (GG) werden das Eigentum und seine prinzipiell unbeschränkte Nutzung verfassungsrechtlich gewährleistet. § 903 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) formt diese Garantie näher aus, indem er bestimmt: "Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen." Ergänzt wird diese Befugnis durch die in Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Im Ergebnis heißt das, dass ein Grundstückseigentümer bzw. –nutzer auf seinem Grund und Boden zunächst erst einmal tun und lassen kann, was er möchte. Dies gilt aber nur, solange und soweit nicht gesetzliche Regelungen oder Rechte Dritter entgegenstehen.
Diese „Rechte Dritter“ können auf zwei verschiedene rechtliche Weisen geschützt sein bzw. die gesetzlichen Regelungen können zweierlei Natur sein: privat- bzw. zivilrechtlich einerseits und/oder öffentlich-rechtlich andererseits. Das öffentliche Recht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürgern, das Privat- bzw. Zivilrecht dagegen die Rechtsbeziehungen der Bürger untereinander. Diese beiden Rechtskreise sind im Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland voneinander zu unterscheiden, und zwar insbesondere, was die Rechtsdurchsetzung betrifft: um zivilrechtliche Rechtsfolgen muss man sich – ggf. mit Unterstützung eines Rechtsanwaltes – selbst kümmern. Öffentlich-rechtliche Rechtsfolgen sind alleine Sache der zuständigen Behörden.
Pferdehaltung im Wohngebiet ruft deshalb insbesondere die Bauaufsichts- und die Immissionsschutzbehörde auf den Plan:
Das Baurecht:
Baurechtlich kommt es auf die wichtige Unterscheidung zwischen der freien Landschaft und den Siedlungsflächen an (was in der Praxis wegen der vielfach unterschiedlichen Siedlungsstrukturen auch schon einmal schwierig sein kann). Siedlungsflächen sind zum einen die mit einem Bebauungsplan (B-Plan) überplanten Flächen und zum anderen die unbeplanten Gebiete der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (Innenbereich). In einem B-Plan sind bestimmte Gebietstypen festgesetzt, aber auch die unbeplanten Gebiete der im Zusammenhang bebauten Ortsteile sind in der Regel von einem bestimmten Gebiets- oder Siedlungscharakter geprägt, der sich einem der in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) näher typisierten Gebiete wie z.B. Reines Wohngebiet (§ 3), Allgemeines Wohngebiet (§ 4) , Dorfgebiet (§ 5), Mischgebiet (§ 6) usw. zuordnen lässt.
So bestimmt § 4 BauNVO, dass Allgemeine Wohngebiete vorwiegend dem Wohnen dienen und demnach Wohngebäude, die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe sowie Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke zulässig sind. Nur ausnahmsweise können Betriebe des Beherbergungsgewerbes, sonstige nicht störende Gewerbebetriebe, Anlagen für Verwaltungen, Gartenbaubetriebe oder Tankstellen zugelassen werden.
Nach der einheitlichen (ober-)verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Pferdehaltung aufgrund der damit typischerweise verbundenen Störungen - wie z.B. Geruchsbelästigungen, Ansammlungen von Fliegen, Geräuschbelästigungen, Staubaufwirbelungen – bereits in einem allgemeinen Wohngebiet, erst recht aber bei einem reinen Wohngebiet mit dem Gebietscharakter nicht vereinbar und daher unzulässig. Anders wäre die Pferdehaltung allerdings in einem Dorfgebiet zu beurteilen, wo derartige Auswirkungen von Tierhaltungen „anlagentypisch“ und daher i.d.R. zulässig sind.
Das Umweltrecht:
Für die Immissionsschutzbehörde spielt bei der Bewertung des Sachverhaltes ein anderes interessantes Regelwerk eine Rolle: die sog. GIRL, also die Geruchs-Immissions-Richtlinie. Zu ihr informiert das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz in seinem Internetangebot (https://www.thueringen.de/th8/tmuen/umwelt/immissionsschutz/gerueche/index.aspx) wie folgt:
„ (…) Die Beurteilung der durch Gerüche verursachten Belästigungen bereitet besondere Schwierigkeiten. Diese können nur bei genauer Kenntnis des Vorliegens einzelner chemischer Substanzen, für die eine Geruchsschwelle bekannt sein muss, in Form von Immissionskonzentrationen bewertet werden. Da Geruchsbelästigungen meist schon bei sehr niedrigen Stoffkonzentrationen und durch das Zusammenwirken verschiedener Stoffe hervorgerufen werden, ist ein Nachweis mittels physikalisch-chemischer Messverfahren in der Regel nicht möglich. Hinzu kommt, dass die belästigende Wirkung von Geruchsimmissionen durch verschiedene Merkmale, wie z. B. die Geruchsstoffkonzentration, die Geruchsintensität, die Geruchsqualität, die hedonische Wirkung sowie die Häufigkeit des Auftretens von jedem Betroffenen in bestimmten Bandbreiten unterschiedlich empfunden wird. Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) enthält bisher keine konkreten Vorschriften, in welcher Weise zu prüfen ist, ob von einer Anlage Geruchsimmissionen hervorgerufen werden, die eine Belästigung im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) darstellen. Deshalb wurde von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) die Geruchsimmissions-Richtlinie entwickelt. Sie enthält u. a. detaillierte Anforderungen an die Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen im Genehmigungs- bzw. im Überwachungsverfahren. Mit der GIRL und den dazugehörigen Auslegungshinweisen zur Interpretation liegt das derzeit beste verfügbare und validierte Bewertungsschema zur Beurteilung der Erheblichkeit von Gerüchen vor. Sie ist ein wichtiges Vollzugsinstrument für die Immissionsschutzbehörden und kann gleichzeitig auch von Ingenieurbüros, Anlagenbetreibern oder den betroffenen Bürgern als Informationsquelle genutzt werden.“
Für Wohn- und Mischgebiete sieht die GIRL einen Immissionswert IW= 0,10 und damit eine Geruchsemission mit einer relativen Häufigkeit von maximal 10 % der Jahresstunden vor, deren Einhaltung/Unterschreitung bei einer Pferdehaltung durch die davon ausgehenden Emissionen praktisch unwahrscheinlich ist.
Fazit:
Der Garten oder die Wiese hinter dem Haus in einem Wohngebiet als Pferdekoppel – das geht nicht!