Zwangsverrentung mit 63 Jahren abgemildert
Jeder, der Arbeitslosengeld II bekommt, ist in der Regel verpflichtet, zum 63. Geburtstag seine Altersrente zu beantragen. Dies ist für die Betroffenen oft mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden. Weigert sich der Leistungsbezieher, stellt das Jobcenter den Antrag sogar auch gegen den Willen des Betroffenen. Hiervon gibt es nur wenige, eng begrenzte Ausnahmen, nämlich dann, wenn die zwangsweise „Pflichtverrentung“ unbillig ist. Diese Ausnahmen sind in der sog. Unbilligkeitsverordnung geregelt.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat mit Wirkung zum 1.1.2017 diese Unbilligkeitsverordnung zugunsten der Betroffenen geändert.
Bislang galt
Der frühere Rentenantrag war unabhängig davon zu stellen, wie hoch die damit verbundenen finanziellen Abschläge waren. Das Jobcenter, welches das Arbeitslosengeld II auszahlt, forderte die ALG II-Bezieher vor ihrem 63. Geburtstag auf, die vorgezogene Rente zu beantragen. Diese Altersrente gab es aber nur mit erheblichen Abschlägen. Jeder Monat vorzeitiger Ruhestand bedeutete dann 0,3 Prozent weniger Rente.
Beispielrechnung
Wer im Dezember dieses Jahres 63 Jahre alt wird und in Rente gehen muss, obwohl sie regulär erst mit 65 Jahren und sieben Monaten beginnen würde, dem stehen ein Leben lang 9,3 Prozent (31 Monate x 0,3 %) weniger Altersrente zu. Wenn der Eintritt in die Rente sich weiter nach hinten verschiebt, erhöhen sich die Abschläge zudem stetig weiter. Wenn das reguläre Renteneintrittsalter bei 67 Jahren liegt, stehen den Betroffenen sogar 14,4 Prozent (48 Monate x 0,3 %) weniger Rente zu.
Künftig gilt
ALG II-Bezieher sind nicht mehr zum Eintritt in eine vorgezogene Altersrente mit Abschlägen verpflichtet, wenn die Höhe dieser Rente zur Bedürftigkeit im Alter führen würde. Eine Altersrente muss nur noch dann vorzeitig beantragt werden, wenn sie trotz der Abschläge bedarfsdeckend ist. Ist die zu erwartende Rente also so niedrig, dass die Betroffenen Sozialhilfe oder Grundsicherung im Alter beziehen müssten, bleibt der Betroffene weiterhin leistungsberechtigt nach SGB II (Hartz IV).
Um dies feststellen zu können, fordert das Jobcenter zunächst die Rentenauskunft der leistungsberechtigten Person, aus der die zu erwartende monatliche Regelaltersrente hervorgeht.
Da von dieser Bruttorente bei einem Rentenbezug noch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Abschläge für die vorzeitige Inanspruchnahme abgesetzt werden, wird der Betrag in Höhe von pauschaliert 70 Prozent der zur erwartenden Regelaltersrente für die Prüfung herangezogen. Berechnungsgrundlage ist dabei lediglich der Bedarf der leistungsberechtigten Person.
Der sich ergebende Betrag ist mit dem Bedarf der leistungsberechtigten Person nach dem SGB II zum Zeitpunkt der Entscheidung zu vergleichen. Es genügt zur vorgenannten Prüfung das aktuellste vorliegende Dokument (Renteninformation oder Rentenauskunft ab dem 61. Lebensjahr).
Wichtig: Es findet nur einmalig eine Prüfung statt.
Beispielrechnung
Ein ALG II-Bezieher hat einen monatlichen Bedarf von 700 Euro. Entsprechend seiner Rentenauskunft hätte er Anspruch auf 1.200 Euro Regelaltersrente. Von dieser Rente werden nun wie oben beschrieben 30 Prozent abgezogen (pauschaliert 70 Prozent). Der sich ergebende Betrag ist 840 Euro. Weil damit die vorgezogene Rente über dem Hartz IV Bedarf liegt, wird der Betroffene verrentet. Läge der Betrag darunter, bliebe der Betroffene leistungsberechtigt nach SGB II. Der dann spätere Renteneintritt (zum „normalen“ Renteneintrittsalter) kann ohne Abschläge bei der Rente erfolgen.
Bei einer geringfügigen Überschreitung (bis ca. 10 Prozent – gerechnet vom Regelbedarf) kann zugunsten der betroffenen Person im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach § 5 Absatz 3 SGB II von einer Aufforderung zum Rentenantrag abgesehen werden.
Rechtliche Grundlage
Erste Verordnung zur Änderung der Unbilligkeitsverordnung
Weitere Informationen
Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales