Russisch statt Französisch? Gastschulantrag abgelehnt.
Abgelehnte Gastschulanträge sind – so individuell die Gründe auch sein mögen – für das Team des Bürgerbeauftragten fast schon Routine. Während bei anderen Bürgeranliegen häufig eine umfangreiche juristische Recherche und ausführliche rechtliche Bewertung notwendig ist, ist hier die Rechtslage relativ eindeutig. Das Thüringer Schulgesetz enthält eine entsprechende Regelung, in welchen Fällen ein Gastschulverhältnis zulässig sein soll, und es gibt obergerichtliche Entscheidungen zu den besonderen Fallgruppen, welche ein solches begründen können. Es gilt also im Einzelfall nur noch, die individuellen Gründe für einen Gastschulantrag zu bewerten.
Im vorliegenden Fall war der Gastschulantrag damit begründet worden, dass in der Einzugsgebietsschule Französisch unterrichtet werde, der Schüler aber lieber Russisch lernen wolle. Außerdem fühle man sich an der Einzugsgebietsschule weniger gut aufgehoben als an der bevorzugten Schule einen Ort weiter. Die Wunsch-Schule hatte bereits die Bereitschaft signalisiert, den Schüler aufzunehmen – dennoch wurde der Antrag vom Schulamt abgelehnt. Die Eltern hatten wenig Verständnis für diese Entscheidung und baten den Bürgerbeauftragten um Vermittlung.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Ein Gastschulverhältnis kann gemäß § 15 Thüringer Schulgesetz „aus wichtigem Grund“ gestattet werden. Als wichtige Gründe werden beispielhaft unter anderem aufgezählt besondere pädagogische oder soziale Gründe oder wenn der Besuch einer anderen Schule die Wahrnehmung der Berufsausbildung erheblich erleichtern würde. Da diese Aufzählung nicht abschließend ist, können die Antragsteller weitere Gründe nennen, über die das Schulamt dann entscheidet. Wie weit hier der Ermessensspielraum geht, hat ein Gericht in einer Urteilsbegründung genauer eingegrenzt. Darin heißt es einerseits, der Wunsch, die Schule besuchen zu können, die den persönlichen und familiären Gegebenheiten am besten entspricht, solle berücksichtigt werden. Zu diesen Gegebenheiten zählen zum Beispiel die Verkehrsanbindungen oder Betreuungsmöglichkeiten des Kindes nach der Schule. So soll eine Ablehnung eines Gastschulantrags keine „unbillige Belastung“ für die Familie darstellen. Andererseits zähle es jedoch nicht als unbillige Belastung, wenn es sich bei dem angegebenen Grund um Umstände handelt, die von einer Vielzahl der Schüler bzw. der Eltern geltend gemacht werden können.
Das von der hier betroffenen Familie favorisierte Angebot einer anderen Fremdsprache zählte in diesem Fall zwar als pädagogischer, dass Gefühl, an einer anderen Schule „besser aufgehoben zu sein“ als sozialer Grund. Dennoch war nach Ansicht der Rechtsexperten im Team des Bürgerbeauftragten diese Argumentation noch zu dünn, um als unbillige Härte zu gelten. Der Familie wurde geraten, den Widerspruch mit ausführlicheren Argumenten zu untersetzen.
Mit weiterführenden Argumenten und unterstützt durch den Schulleiter der Gastschule wurde der Antrag auf das Gastschul-Verhältnis schließlich doch genehmigt – rechtzeitig zum Beginn des neuen Schuljahres.
Wichtig: Die Gewährung eines Gastschulverhältnisses ist vom Gesetzgeber als Ausnahmefall ausgestaltet und die Schulämter entscheiden hier oft restriktiv. Eltern, die ein Gastschulverhältnis anstreben, sollten bereits bei Antragstellung ausführlich ihre wichtigen Gründe darlegen. Oft reicht der Platz im Antragsformular dafür nicht aus. Scheuen Sie sich nicht, hier ein extra Blatt beizufügen und Ihre Gründe, die von einigem Belang oder Gewicht sein müssen, ausführlich darzulegen.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.