Integration mit behördlichen Hindernissen
Ein Fall, über den bereits im Tätigkeitsbericht 2021 berichtet wurde, beschäftigte den Bürgerbeauftragten auch im Berichtsjahr weiter.
Eine junge Frau aus dem Kosovo, die bereits seit vielen Jahren in Thüringen lebt und hier einen Hauptschulabschluss erworben hat, war Ende 2020, am Ende einer einjährigen Ausbildung zur Altenpflegehelferin, nicht zur Prüfung zugelassen worden. Alleiniger Grund hierfür war ein fehlender gültiger Reisepass zum Nachweis ihrer Identität. Zwar konnte sie einen abgelaufenen Pass vorlegen, allerdings sah die für die Prüfung zuständige Behörde, das Thüringer Landesverwaltungsamt (TLVwA), diesen als nicht ausreichend an. Der Plan der Bürgerin, nach Beendigung der Pflegehelferausbildung gleich eine Ausbildung zur Pflegefachkraft anzuschließen, rückte damit in weite Ferne. Wie weit – das hätte sie sich zu diesem Zeitpunkt aber nicht einmal in ihren schlechtesten Träumen vorstellen können…
Die Bürgerin hatte sich sofort bei der Botschaft ihres Heimatlandes intensiv um die Neuausstellung eines Reisepasses bemüht. Aufgrund der Corona Pandemie kam es aber bei der Antragsbearbeitung durch die Botschaft zu erheblichen Verzögerungen, so dass sie auch am Ende des Jahres 2021 immer noch keinen gültigen Pass hatte.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Der Bürgerbeauftragte hatte das Thüringer Landesverwaltungsamt unter Einbeziehung des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) darum gebeten, ggf. gemeinsam eine Lösung zu finden, um die Zulassung der Bürgerin zur Prüfung zu ermöglichen.
Mit Blick auf die erweiterten Möglichkeiten, die Ausländer z.B. in Fahrerlaubnisangelegenheiten oder im Aufenthaltsrecht haben, wo in Ausnahmefällen die Identität auch durch andere Dokumente (abgelaufener Reisepass, Duldungen, Geburtsurkunde u.ä.) nachgewiesen werden kann, und mit Blick auf den Fachkräftemangel in Thüringen im Pflegebereich sowie der neu geschaffenen Möglichkeit der Ausbildungsduldung nach § 60 c Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erschien der hier praktisch erlebte Prüfungsausschluss von faktisch ausgebildeten und leistungsbereiten Personen aus Sicht des Bürgerbeauftragten nicht sachgerecht. Auch hatte es an der Identität der jungen Frau, die in der Vergangenheit in Thüringen bereits einen Schulabschluss erworben hatte, bisher keinerlei Zweifel gegeben.
Die Behörden waren sich jedoch in Bezug auf den, aus ihrer Sicht, eng auszulegenden Wortlaut der Vorschrift in der Thüringer Schulordnung für die Helferberufe in der Pflege (ThürSOPflH), § 8 Abs. 2 Nr. 1, dahingehend einig, dass die Zulassung zur Prüfung nur erteilt werden könne, wenn als Nachweis der Identität der Personalausweis oder der (gültige) Reisepass vorgelegt werden kann. Andere Möglichkeiten der Identitätsklärung für die Bürgerin wurden zunächst abgelehnt.
Im April 2022 erhielt die Bürgerin dann endlich ihren neuen Pass. Zur Abschlussprüfung wurde sie aber dennoch nicht zugelassen. Denn: zwischenzeitlich war ihr Ausbildungsverhältnis aufgrund des Zeitablaufs beendet worden. Und wegen des nun fehlenden Ausbildungsverhältnisses lehnte das Landesverwaltungsamt die Zulassung zur Prüfung ab. Auch die Möglichkeit einer Externenprüfung nach § 16 ThürSOPflH blieb ihr versagt.
Schlussendlich blieb der jungen Frau daher, nachdem sie fast zwei Jahre auf eine Lösung gehofft und in dieser Zeit als ungelernte Hilfskraft ihren Lebensunterhalt verdiente, nichts anderes übrig, als die Pflegehelferausbildung zu wiederholen!
Der Bürgerbeauftragte bedauerte dieses Ergebnis. Seine Anregung, zukünftig auch andere Dokumente im Einzelfall als Identitätsnachweis anzuerkennen, nahm das zuständige Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen im Verlauf des Berichtsjahres jedoch auf und versprach, mit einem Rundschreiben an das zuständige Thüringer Landesverwaltungsamt auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass zukünftig auch Duldungen als Identitätsnachweise ausreichend sind, wenn diese als Ausweisersatz bezeichnet sind und damit die Identität des Prüflings zweifelsfrei festgestellt werden kann. Des Weiteren wurde gegenüber dem ThürLVwA als der für die Zulassung zuständigen Behörde angeregt, spätestens bei Beginn der Ausbildung auf die Zulassungsvoraussetzungen des § 8 ThürSOPflHG hinzuweisen, so dass insbesondere ausländische Auszubildende zukünftig ausreichend Zeit hätten, sich bis zum Prüfungstermin ggf. um fehlende Ausweispapiere zu bemühen.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.