Mit einem Psychologie-Abschluss Heilpraktiker auf dem Gebiet der Psychotherapie werden – geht das ohne Kenntnisprüfung?
Eine Bürgerin hatte im Juli 2020 beim zuständigen Landratsamt die Erteilung der auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten „Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde“ (= sog. ‚kleine‘ Heilpraktikererlaubnis) gem. § 1 Heilpraktikergesetz beantragt. Im weiteren Verlauf legte sie die dafür nötige schriftliche Kenntnisprüfung erfolgreich ab und war nun gerade im Begriff, die mündliche Kenntnisprüfung ins Auge zu fassen, als ihr Zweifel an dem ihr abverlangten Prüfungsumfang kamen:
Sie verfügte nämlich über einen Masterabschluss in Psychologie mit Schwerpunkt Klinische Psychologie und las auf der Internetseite des zuständigen Landratsamtes und auch an einer anderen Stelle, dass die von ihr angestrebte Erlaubnis auch ohne Kenntnisprüfung bzw. nur nach Aktenlage erfolgen könne. Begründung: Die erforderlichen Kenntnisse gelten als nachgewiesen, wenn der Antragsteller über einen Abschluss in Psychologie verfügt und das Fach „Klinische Psychologie“ Gegenstand der Abschlussprüfung war. Entsprechende Bemühungen der Bürgerin, auf Basis dieser Informationen die angestrebte Erlaubnis ohne Kenntnisprüfung zu erlangen und das Verfahren zum Abschluss zu bringen, scheiterten jedoch.
Die Bearbeiterin beim Landratsamt informierte sie vielmehr ausdrücklich dahingehend, dass - im Ergebnis eines internen, kollegialen telefonischen Austausches mit der Verwaltung der kreisfreien Stadt und dem Thüringer Landesverwaltungsamt - eine Erteilung der Erlaubnis nach Aktenlage nicht möglich, sondern die mündliche Prüfung für sie und alle anderen Psychologen mit Diplom- oder Masterabschluss auch weiterhin erforderlich sei. Da, so hieß es, sei man sich völlig einig. Kurioserweise war es jedoch nicht möglich, der Bürgerin eine entsprechende Rechtsgrundlage zu benennen, auf der diese übereinstimmende Überzeugung der Verwaltung beruhte.
Über diesen für sie sehr unbefriedigenden Stand der Dinge war die Bürgerin – begreiflicherweise – sehr irritiert, strebte nach nunmehr über drei Jahren Wartezeit seit Antragstellung den geordneten Abschluss ihres Verfahrens an und bat daher den Bürgerbeauftragten um Unterstützung bei der Klärung.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Der Bürgerbeauftragte wandte sich umgehend an das fachlich zuständige Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF) und bat um Prüfung und Stellungnahme.
Im Ergebnis stellte sich heraus, dass der Freistaat Thüringen zum Vollzug des „Gesetzes über die Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung“ (Heilpraktikergesetz) und der dazu vom Bund erlassenen Durchführungsverordnung mit Erlass vom 4. Dezember 2014 das Verfahren zur Erlaubniserteilung konkretisiert hatte. Dieser Erlass enthielt auch tatsächlich die von der Bürgerin in Bezug genommene Regelung zur Anerkennung des Studienganges Psychologie. Dieser Erlass war jedoch zum 1. September 2019 außer Kraft getreten, weshalb die Überprüfung seitdem auf der Grundlage der Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärterinnen und -anwärtern nach § 2 des HeilprG i. V. m. § 2 Abs. 1 Buchst. i der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz vom 7. Dez. 2017 des Bundesgesundheitsministeriums erfolgte. Danach bestehe die Überprüfung aus einem schriftlichen und einem mündlich-praktischen Prüfungsteil.
Das Ministerium räumte aber selbstkritisch ein, dass die von der Bürgerin benannten Informationen auf der Internetseite des Zuständigkeitsfinders tatsächlich nicht mehr aktuell gewesen seien, weshalb eine entsprechende Aktualisierung umgehend veranlasst worden sei. Im Übrigen sei beabsichtigt, die Regelungen des außer Kraft getretenen Erlasses zu überarbeiten und damit die Durchführung des Erlaubnis- und Überprüfungsverfahrens in Thüringen zu konkretisieren.
Nach alledem hatte die Bürgerin nun für sich selbst Klarheit gewonnen, durch ihr kritisches Hinterfragen des Verfahrens und die Einschaltung des Bürgerbeauftragten aber auch dazu beigetragen, dass irreführende amtliche Informationen korrigiert wurden.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Stand: 2023