Fehler beim Finanzamt – Bürgerbeauftragter erwirkt Korrektur
Der jährlichen Steuererklärung zu entgehen, ist sicher ein Wunsch von vielen. Eine Nichtveranlagungsbescheinigung kann hier helfen. Sie ist aber nur auf Antrag beim zuständigen Finanzamt zu erhalten und natürlich an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Einem Rentner, der für die vergangenen Jahren stets eine solche Bescheinigung erhalten hatte, war deren Ausstellung für das Jahr 2020 abgelehnt worden, obwohl sich an seinen Einkommensverhältnissen bis auf eine dezente Rentenanpassung nichts geändert hatte. Zudem hatte die zuständige Bearbeiterin beim Finanzamt angedeutet, dass mit einer Nachforderung für die vergangenen Jahre gerechnet werden müsse. In Sorge, was der Grund für diese unerwartete sowie unerfreuliche Auskunft sei, wandte sich der Rentner an den Bürgerbeauftragten.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Bei einem Antrag auf Nichtveranlagungsbescheinigung (NV-Bescheinigung) wird vom Finanzamt geprüft, ob die Einkünfte eines Bürgers unter dem jährlichen sogenannten Grundfreibetrag liegen. Dieser Grundfreibetrag von derzeit 9.408 Euro (bzw. bei Ehepaaren das Doppelte) soll das Existenzminimum sichern und darf nicht besteuert werden. Zu den Einkünften gehören neben z.B. Gehalt oder Rente auch Kapitalerträge. Liegt die Summe aller Einkünfte pro Jahr unter 9.408 Euro und sind die Kapitalerträge jährlich höher als 801 Euro, so behalten die Banken automatisch die Abgeltungssteuer von 25% für den Staat ein, obwohl eigentlich gar keine Steuer gezahlt werden müsste. Um hier eine Vereinfachung zu erreichen gibt es die NV-Bescheinigung. Diese vom Finanzamt ausgestellte Bestätigung befreit nicht nur von der Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung, sondern auch von der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Sie wird der Bank zugeschickt, die dann keine automatischen Steuerabzüge mehr vornimmt.
Für den Rentner, der sich an den Bürgerbeauftragten gewandt hatte, musste das Finanzamt also prüfen, ob Rente und Kapitalerträge zusammen über dem existenzsichernden Grundfreibetrag liegen. Sollte dies der Fall sein, würde im Rahmen einer sogenannten Günstigerprüfung ermittelt, ob die Einbeziehung der Kapitalerträge in die tarifliche Einkommensteuer zu einem günstigeren Ergebnis führt als beim Steuerabzug durch die Abgeltungsteuer. Günstiger hieße in diesem Fall, dass das Gesamteinkommen wieder unterhalb des Grundfreibetrags sinken würde und damit die Nichtveranlagungsbescheinigung doch ausgestellt werden kann. Der Bürgerbeauftragte prüfte nun zuerst die Höhe der Rentenanpassung des Bürgers. Für das Rentnerpaar, das zusammen veranlagt wurde, ergab sich eine Erhöhung des Gesamteinkommens um lediglich rund 100 Euro monatlich. Es war also zunächst nicht ersichtlich, was das Finanzamt dazu veranlasst hatte, den Antrag auf NV-Bescheinigung abzulehnen. Gegen den ablehnenden Bescheid hatte der Rentner seinerzeit jedoch keinen Einspruch eingelegt, so dass dieser Bestandskraft erlangt hatte.
Der Bürgerbeauftragte bat das zuständige Finanzamt um eine erneute Prüfung der Berechnung und um eine Stellungnahme bezüglich der angedrohten Rückforderungen.
Bereits zehn Tage später kam die Antwort des Finanzamts – mit einer Entscheidung ganz im Sinne des Rentners. Bei erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage sei aufgefallen, dass die Günstigerprüfung „unberücksichtigt geblieben“ sei, so die Erklärung des Finanzamts. Der ablehnende Bescheid wurde also zurückgenommen und die Nichtveranlagungsbescheinigung für das Jahr 2020 nachträglich ausgestellt.
„Die Nichtveranlagungsbescheinigung ist insbesondere für Menschen mit niedrigem Einkommen sinnvoll, wenn sie gleichzeitig über Ersparnisse verfügen, von denen pauschale Steuerabzüge erfolgen. Rentner oder auch Studierende, die von den Großeltern etwas geerbt haben, könnten hiervon profitieren.“ so Dr. Kurt Herzberg, Bürgerbeauftragter des Freistaats Thüringen. „Wichtig ist, daran zu denken, die NV-Bescheinigung auch bei der Bank einzureichen, damit diese dann auch wirklich keine Abgeltungssteuer einbehält.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.