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  • Dr. K. Herzberg an seinem Schreibtisch

    Dr. Kurt Herzberg, Bürgerbeauftragter des Freistaats Thüringen

    Foto: V. Hielscher
  • Kind sitzt auf dem Fußweg, Kopf gebeugt, Schulranzen steht daneben

    Unterrichtsausfall - auch in Thüringen ein großes Problem

    Foto: Anne Garti/pixelio.de
  • Auto liegt auf Dach, Feuerwehr und Krankenwagen stehen daneben

    Ehrung für Lebensretter

    Foto: Erich Kasten
  • Der Bürgerbeauftragte im Gespräch

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Grundgebührenpflicht auch für Direkteinleiter?

Sehr erzürnt über eine Gebührenerhöhung ‚seines‘ Zweckverbandes suchte ein Bürger Rat beim Bürgerbeauftragten. Zudem hatte der Abwasserentsorger für sog. Volleinleiter auch noch eine Abwassergrundgebühr neu eingeführt. Beides brachte den Bürger ‚auf die Palme‘, denn er hatte als Volleinleiter (alte Bezeichnung: Direkteinleiter) im Gegensatz zu denjenigen Anschlussnehmern, die weiterhin ihre Kleinkläranlage betreiben, hohe Kosten aufbringen müssen, als sein Grundstück an die öffentliche Abwasserentsorgung angeschlossen wurde. „Ich finde die neue Grundgebühr als rechtlich bedenklich, weil sie nur von Direkteinleitern gezahlt werden muss. Auch diejenigen, die eine Kläranlage betreiben, speisen kein Trinkwasser in den Kanal ein.“

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Lösungsansatz und Ergebnis

Bestimmte gesundheits-, hygiene- und umweltrelevante, dem Wohl der Allgemeinheit dienende Versorgungseinrichtungen (Trinkwassernetz, Abwasserentsorgungssystem) werden in der Bundes-republik Deutschland von sog. „Zweckverbänden“ betrieben. Dies sind Körperschaften des öffentlichen Rechtes, also staatliche Organisationseinheiten mit bestimmten Fachaufgaben. Zu deren Erfüllung und der hierfür notwendigen Durchsetzung sind sie mit hoheitlicher Gewalt ausgestattet. Insbesondere verfügen sie zum Zwecke der sachdienlichen Erfüllung und Durchsetzung ihrer Aufgaben über eine eigene Rechtssetzungsbefugnis, d. h., sie können das für ihre Fachaufgabe zwischen ihnen und dem Bürger geltende Recht - in gewissem Maße und beaufsichtigt durch die staatliche Kommunalaufsichtsbehörde – selbst gestalten. Dies geschieht durch den Erlass von Satzungen, die von der Verbandsversammlung beschlossen werden. Die Verbandsversammlung besteht in erster Linie aus den gesetzlichen Vertretern der Gebietskörperschaften, die dem Zweckverband angehören, also den Bürgermeistern. Die Bürgermeister wiederum werden in demokratischer Wahl von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt. Für die Beschlüsse der Verbandsversammlung selbst gilt das demokratische Mehrheitsprinzip.

Die vom Zweckverband geltend gemachten Gebühren zählen, wie Steuern und Beiträge, zu den (Kommunal-)Abgaben. Sie werden als direkte Gegenleistung für eine besondere Leistung vorliegend der Inanspruchnahme der Trinkwasserver- und der Abwasserentsorgungsanlage, geltend gemacht.

Für die Gestaltung der Gebührenhöhe gelten das Kostendeckungsprinzip, bezogen auf die Höhe des gesamten Gebührenaufkommens sowie das Äquivalenzprinzip, bezogen auf den Einzelfall.

Kostendeckungsprinzip bedeutet, dass die Gebühren höchstens so bemessen werden dürfen, dass die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten der Einrichtung gedeckt werden; Äquivalenzprinzip bedeutet, dass zwischen der gebotenen Leistung und dem sich daraus ergebenden Nutzen für den Bürger einerseits und der Höhe der Gebühr andererseits kein Missverhältnis bestehen darf. Bei den Gebühren wird meist zwischen einer Grundgebühr und einer verbrauchs- bzw. mengenabhängigen (Leistungs-) Gebühr unterschieden, wobei die Grundgebühren für die In­an­spruch­nah­me der bloßen Lieferungs- und Betriebsbereitschaft und damit für die Vorhaltung der öffentlichen Einrichtung erhoben werden. Die Grundgebühr dient dazu, die verbrauchsunabhängigen Kosten der öffentlichen Einrichtung (Vorhaltekosten) ganz oder teilweise zu finanzieren. Vorhaltekosten sind all diejenigen Kosten, deren Höhe unabhängig von dem Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung durch die Benutzer ist. Verbrauchsunabhängige Kosten sind vor allem die Material-, Betriebs-(Unterhaltungs- und Instandsetzungs-) und Personalkosten sowie Abschreibungen und sonstige Aufwendungen. Die Möglichkeit der Erhebung von Grundgebühren sieht das Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) in § 12 Abs. 2 ausdrücklich vor.

Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung ist in jedem Fall eine Satzung, die den Kreis der Gebührenpflichtigen, die Bemessungsgrundlage, die Art der Heranziehung usw. regelt. Diese Satzung wird vom jeweiligen Zweckverband erlassen. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Satzungen verfügen die Zweckverbände über einen weiten Gestaltungsspielraum und sind in ihren Entscheidungen frei, soweit sich diese im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen. Da das Thüringer Kommunalabgabengesetz die Möglichkeit der Erhebung von Grundgebühren ausdrücklich vorsieht, steht es dem Zweckverband frei, von dieser Option Gebrauch zu machen. Mit Rücksicht auf die dem Zweckverband hier rechtlich zukommende Gestaltungsfreiheit ist eine äußere Einflussnahme, etwa durch den Bürgerbeauftragten, auf die Entscheidung über die Erhebung von Grundgebühren oder aber deren Verzicht nicht statthaft.

Die Einleitungs- und Beseitigungsgebühr sind ihrer Art nach hingegen sog. Leistungsgebühren. Das bedeutet, dass sich ihre Höhe danach richtet, in welchem Ausmaß die Leistung der Abwasserentsorgungsanlage in Anspruch genommen wird. Für die Bemessung der Leistungsgebühr stehen der sog. Wirklichkeits- und der Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Verfügung. Wirklichkeitsmaßstab bedeutet, dass die in Anspruch genommene Leistung exakt gemessen und berechnet wird. Wenn eine solche genaue Feststellung der tatsächlichen Leistung jedoch unmöglich oder unverhältnismäßig schwierig, insbesondere mit hohen Kosten verbunden wäre, ist es zulässig, einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzuwenden. Er muss dem Ausmaß der Benutzung im Großen und Ganzen entsprechen.

Während bei den Wassergebühren in aller Regel der Wirklichkeitsmaßstab zur Anwendung kommt (Wasserzähler), wird zur Bemessung der Abwassergebühr ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab verwendet, und zwar konkret der sog. Frischwassermaßstab. Er beruht auf der allgemeinen Erfahrung, dass die auf einem Grundstück bezogene Wassermenge – bis auf eine zu vernachlässigende Verdunstungsmenge – in aller Regel auch wieder in irgendeiner Form den Entwässerungsanlagen zugeführt wird, wobei für nachweisbar nicht eingeleitete Wassermengen (z.B. Gartenbewässerung) Absetzungen vorgenommen werden können. Folge des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs ist es, dass die Menge des entnommenen Wassers auch als eingeleitete Abwassermenge in Ansatz gebracht wird.

Im konkreten Fall machte der Abwasserzweckverband die Abwassergrundgebühr ausschließlich gegenüber den Volleinleitern geltend und erläuterte diese Vorgehensweise mit umfangreichen Informationen. Danach ging die Einführung der Abwassergrundgebühr auf umfangreiche Investitionen im Bereich der Anlagen(-teile) zurück, die ausschließlich durch Volleinleiter genutzt und demzufolge auch nur diesen gegenüber kostendeckend abgerechnet werden dürfen.

Zudem – und darauf wies der Bürgerbeauftragte den Bürger auch hin – geschieht eine Gebührenerhöhung bzw. die hier erfolgte Einführung einer Grundgebühr nicht willkürlich, sondern ist stets abhängig von den nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten für den Betrieb der Versorgungseinrichtung.

Insbesondere kommt hier § 12 Abs. 6 des ThürKAG zum Tragen. Darin heißt es: „Bei der Gebührenbemessung können die Kosten in einem mehrjährigen Zeitraum berücksichtigt werden, der jedoch höchstens vier Jahre umfassen soll. Kostenüberdeckungen, die sich am Ende des Bemessungszeitraumes ergeben, sind bei ein- oder mehrjähriger Gebührenbemessung innerhalb des folgenden Bemessungszeitraumes auszugleichen; Kostenunterdeckungen sollen in diesem Zeitraum ausgeglichen werden.“

Vor diesem Hintergrund war die Vermutung des Bürgers, dass Erlöse aus der aus seiner Sicht willkürlichen Gebühreneinführung nicht zur Kostendeckung der die Abwassereinrichtung betreffenden Ausgaben dienen, sachlich ausgeräumt.

Schließlich machte der Bürgerbeauftragte den Bürger darauf aufmerksam, dass er die Möglichkeit habe, beim Zweckverband selbst Einblick in die Gebührenkalkulation nehmen zu können. Dies sieht  § 13 des ThürKAG, demzufolge die Beitrags- und Gebührenpflichtigen berechtigt sind, die Kosten- und Aufwandsrechnung einzusehen, ausdrücklich vor und schafft damit Transparenz.

Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.

Stand: 2021

 

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