Wann ist ein Erlass der Grundsteuer nach dem Grundsteuergesetz möglich?
Mit genau dieser Frage hatte sich ein Bürger an den Bürgerbeauftragten gewandt. Der Bürger war Miteigentümer eines Grundstücks, welches sich in einem Schutzgebiet befand, sodass die Nutzung naturschutzrechtlichen Einschränkungen unterlag. In diesem Zusammenhang wollte der Bürger wissen, ob hier eine Befreiung von der Grundsteuerpflicht nach dem Grundsteuergesetz möglich ist.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Nach Prüfung der Rechtslage konnten dem Bürger folgende Informationen gegeben werden:
Im Grundsteuergesetz (GrStG) werden in den § 32 (Erlass für Kulturgut und Grünanlagen) und § 33 (Erlass wegen wesentlicher Reinertragsminderung bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft) die Fälle geregelt, in denen die Steuer wegen Ertragslosigkeit oder Ertragsminderung aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen ist.
Nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG ist die Grundsteuer für Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz zu erlassen, wenn an dessen Erhaltung aufgrund seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz ein öffentliches Interesse besteht und wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten liegen, kurz: wenn kein Gewinn erzielt wird.
Der Erlass der Grundsteuer nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG setzt zunächst voraus, dass die Erhaltung des Grundbesitzes (siehe § 2 GrStG) wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liegt. Von Bedeutung für den Naturschutz ist ein Grundstück, wenn es Besonderheiten des geologischen Aufbaus, der Flora oder Fauna des umliegenden Gebiets hervortreten lässt oder in besonderer Weise mit der umgebenden Natur oder der bodenständigen Kultur des Gebietes, in dem es liegt, verbunden ist. In Betracht kommen insbesondere rechtsverbindlich unter Naturschutz gestellte Gebiete und Naturdenkmale. Eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung der Naturschutzgebiete schränkt die Erlassmöglichkeit nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG nicht ein.
Im öffentlichen Interesse liegt die Erhaltung des Grundbesitzes nur, wenn die besondere Bedeutung erwiesen und in das Bewusstsein der Bevölkerung oder eines breiten Kreises von Sachverständigen übergegangen ist. Einzelne Äußerungen, dass dem Grundbesitz eine derartige Bedeutung nicht abzusprechen sei, reichen nicht aus. Für die Anwendbarkeit des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG ist nicht jedes allgemeine – etwa durch Ermittlung einer Mehrheitsmeinung oder des Urteils von Experten erkennbar werdende – öffentliche Interesse ausreichend. Es muss sich vielmehr um ein besonderes öffentliches Interesse handeln, das in besonderen rechtlichen Bindungen zum Ausdruck kommt, die in ihrer nutzungsbeschränkenden Wirkung über das hinausgehen, was Grundstückseigentümern von der Rechtsordnung allgemein zugemutet wird.
Im Zweifelsfalle ist das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Grundbesitzes wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft und Naturschutz nachzuweisen. Der Nachweis des besonderen öffentlichen Interesses kann durch eine Bestätigung der zuständigen Landesbehörde erbracht werden. Ein förmliches Verfahren ist insoweit nicht geregelt. Eine Bindungswirkung für die Gemeinden ergibt sich aus einer derartigen Bestätigung allerdings nicht. Die Gemeinden müssen die Erlassvoraussetzungen grundsätzlich selbständig prüfen. Gleichwohl wird die Gemeinde diese Bestätigung im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen.
Weitere Voraussetzung für den Erlass ist, dass das Grundstück unrentabel ist. Die Unwirtschaftlichkeit muss ein Dauerzustand sein. Sie kann deshalb auch erst nachträglich für einen längeren Zeitraum geprüft werden. Bis dahin soll die Steuer möglichst gestundet werden.
Nach § 34 GrStG muss der Grundstückseigentümer jeweils spätestens bis zum 31. März des Jahres, das auf den Erlasszeitraum folgt, den Erlass bei der Gemeinde beantragen. Die Frist ist eine Ausschlussfrist, d.h., sie kann nicht verlängert werden. Die Frist zur Beantragung eines Erlasses für das Grundsteuerjahr 2022 endet also grundsätzlich mit dem 31. März 2023. Wird der Grundsteuerbescheid für das betreffende Jahr dem Steuerschuldner erst nach dem 31. März bekannt gegeben, so endet die Antragsfrist einen Monat nach Zugang des Steuerbescheids.
Über den Erlassantrag entscheidet die Gemeinde. Wird der Erlassantrag abgelehnt, stehen dem Antragsteller die gleichen Rechtsbehelfe wie gegen den Grundsteuerbescheid zu: Widerspruch bei der Gemeinde oder ggf. Klage vor den Verwaltungsgerichten. Der Antrag auf Erlass nach § 32 GrStG für ein Kulturgut braucht nicht jährlich wiederholt zu werden. Der Steuerschuldner muss aber eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse binnen drei Monaten nach Eintritt der Änderung der Gemeinde anzeigen.
Mit dieser Erläuterung war der Bürger zufrieden und bedankte sich für die erteilte Auskunft.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Stand: 3/2023