Grundstück bereits 20 Jahre an den öffentlichen Kanal angeschlossen – jetzt erst Herstellungsbeitrag zahlen?
Ein Bürger hatte vom örtlichen Abwasserzweckverband einen Bescheid über die Erhebung eines Herstellungsbeitrages für den Anschluss an die öffentliche Entwässerungseinrichtung erhalten. Er konnte diese Forderung jedoch nicht nachvollziehen, denn zum einen war sein Grundstück bereits seit vielen Jahre an den Kanal angeschlossen, wofür er auch regelmäßig Gebühren zahlte. Zum anderen waren in den letzten Jahren in seiner Straße auch gar keine konkreten Baumaßnahmen im Zusammenhang mit der Entwässerung durchgeführt worden. Die kürzlich beendeten Kanalbauarbeiten in einer in der Nähe gelegenen Straße, so der Bürger, könne man ihm ja wohl kaum zurechnen.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Beiträge und Gebühren sind sog. Kommunalabgaben. Dies sind von den Bürgern zu leistende Zahlungen an Kommunen, also Städte und Gemeinden. Begrifflich werden hier jedoch auch die so genannten Zweckverbände bzw. Aufgabenträger erfasst, die als sog. „Körperschaften des öffentlichen Rechtes“ bestimmte öffentliche Aufgaben (Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Abfallentsorgung usw.) wahrnehmen und deshalb gleichfalls zur Abgabenerhebung befugt sind.
Gebühren sind Zahlungen für besondere Leistungen oder für die Inanspruchnahme von öffentlichen Einrichtungen. Zwischen der Gebühr und der konkreten Gegenleistung besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Das bedeutet, hier bezahlt der Bürger für etwas, dass er unmittelbar nutzt, erhält oder verbraucht.
Beiträge sind dagegen vom Bürger zu leistende öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die dem (teil-weisen) Ersatz des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung öffentlicher Einrichtungen oder Anlagen von allgemeinem Nutzen (z. B. Kläranlage, Abwasserkanal, Wasserleitung, öffentliche Straßen, Wege und Plätze) dienen. Die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung schafft die Möglichkeit der Nutzung und ist in der Regel mit erheblichen Kosten verbunden und hat außerdem sicher zu stellen, dass die Anlagen den Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft und den Anforderungen des Umweltrechtes entsprechen. Für diesen Finanzierungsaufwand treten die Gemeinden bzw. Zweckverbände in der Regel in Vorleistung, d. h. sie finanzieren die nötigen Arbeiten zunächst.
Jedoch können die Kosten ohne eine angemessene Beteiligung der Bürger nicht abgedeckt werden. Weil die genannten Maßnahmen an den öffentlichen Einrichtungen und Anlagen (öffentliche Infrastruktur) nun aber nur jeweils nur einen bestimmten abgegrenzten und abgrenzbaren Personenkreis (z. B. die Eigentümer von Grundstücken, die an einer ausgebauten oder mit einer Trinkwasser- oder Kanalleitung versehenen Straße anliegen) unmittelbar betreffen und diesen bevorteilen, soll sich auch nur dieser Personenkreis an den Kosten beteiligen.
Hinsichtlich der öffentlichen Abwasserentsorgungseinrichtung ist grundsätzlich jedes Grundstück, das einen Vorteil durch die Entwässerungseinrichtung erfährt, beitragspflichtig. Der Vorteil durch die Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Entwässerungseinrichtung liegt hier in der Abnahme und Beseitigung des anfallenden Abwassers von den Grundstücken im Bereich des Einrichtungsträgers.
Rechtsgrundlage der Erhebung von Beiträgen ist zunächst das Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) und sodann die jeweilige Satzung der betroffenen Körperschaft, die die Beiträge erhebt. Die Satzung regelt dann auch im Einzelnen die Kriterien der Beitragserhebung, wobei es meist auf Art und Maß der möglichen baulichen Nutzung und die Grundstücksgröße ankommt.
Unter einer beitragsfähigen Herstellung im Sinne von § 7 Absatz 1 S. 1 ThürKAG wird dabei die erstmalige Schaffung einer kommunalen öffentlichen Einrichtung verstanden. Doch wann gilt eine öffentliche Abwasserentsorgungseinrichtung als erstmalig hergestellt?
Als erstmalig hergestellt gilt ein Anschluss erst dann, wenn das bis zur Beitragserhebung vorliegende Ausbaustadium der betreffenden Anlage dem zugrundeliegenden Ausbauprogramm bzw. dem Planungskonzept des Entsorgungsträgers – dem sogenannten ABK - entspricht.
Im Fall des Bürgers bedurfte es nach dem Herstellungsbauprogramm des zuständigen Zweckverbandes noch der oben erwähnten letzten Kanalbauarbeiten im Ort des Bürgers. Diese wurden Ende 2016 abgeschlossen, weshalb auch erst danach von einer beitragsfähigen erstmaligen Herstellung der Einrichtung ausgegangen werden konnte.
Diese hier vorliegende Konstellation, dass bereits viele Jahre zuvor der Anschluss von Grundstücken an bestehende Abwassersysteme erfolgte, aber erst viel später die teilweise auch erst später entstandenen Zweckverbände Beiträge für deren Herstellung geltend machen, beschreibt die Problematik der sog. „Altanschlussnehmer“.
Bezüglich dieser Fälle hat der Landesgesetzgeber aber keine Veranlassung gesehen, diese „Altanschlussnehmer“ unter dem Aspekt der Einmaligkeit der Beitragserhebung von der Beitragsfinanzierung auszunehmen. Denn, so auch das Oberverwaltungsgericht Weimar (OVG Weimar, U. v. 21.06.2006) „die Eigentümer der damals unentgeltlich bevorteilten Grundstücke können nicht geltend machen, dass sie für denselben Tatbestand bereits zu einem Beitrag herangezogen worden sind oder ihnen für den Anschlussvorteil ein für alle Mal Beitragsfreiheit verbürgt worden sei. (…)“
Da im Falle der erstmaligen Herstellung einer kommunalen Entwässerungseinrichtung allen Beitragspflichtigen im Gebiet des kommunalen Einrichtungsträgers durch die Inanspruchnahmemöglichkeit der gleiche beitragsrechtlich relevante Vorteil geboten wird, soll, so das OVG Weimar in seiner Entscheidung, eine Differenzierung der Beitragssätze nach Anschlussnehmern, deren Grundstücke bereits vor Inkrafttreten des ThürKAG an die Wasserver- bzw. Abwasserentsorgung angeschlossen waren (sog. „Altanschlussnehmer“) und solche, die erst danach an die öffentliche Einrichtung angeschlossen wurden (sog. Neuanschlussnehmer), rechtlich nicht zulässig sein. Gleichfalls unzulässig ist damit auch die Heranziehung nur der sog. Neuanschlussnehmer zu Herstellungsbeiträgen.
Im Ergebnis war die dem Bürger gegenüber erfolgte Beitragserhebung des Zweckverbandes damit nicht zu beanstanden. Der Bürgerbeauftragte teilte dies dem Bürger mit und erläuterte ihm auch ausführlich die Hintergründe der Beitragserhebung.
Im Übrigen war der Hinweis des Bürgers auf seine bereits seit Jahren gezahlten Gebühren für die Nutzung der Abwasserentsorgung insofern hier nicht rechtlich relevant, da diese Gebühren für eine unmittelbare Gegenleistung, hier die tatsächliche konkrete Nutzung des bestehenden Abwasserkanals, erhoben wurden. Der Herstellungsbeitrag war davon jedoch nicht umfasst.