Grundstücksverkauf kann nicht erzwungen werden
Auf einem volkseigenen Grundstück errichteten die Eheleute H. 1980 ihr Eigenheim. Um die Zufahrt zu ihrem Grundstück zu ermöglichen und die notwendigen Versorgungsleitungen sowie eine Kläranlage bauen zu können, hatten sie ein Nutzungsrecht für das Nachbargrundstück. 1990 entschlossen sich die Eheleute, beide Grundstücke zu kaufen, und stießen hierbei auch auf eine positive Resonanz. In Erwartung des Zustandekommens des Kaufvertrages überwies die Familie daher schon einen nicht unerheblichen Betrag auf das Konto des Rates der Stadt. Später wurde der Familie dann aber von der Städtischen Wohnungsgesellschaft, die mittlerweile Grundstückseigentümerin war, mitgeteilt, dass wegen geltend gemachter Restitutionsansprüche (= Rückübertragung von Grundstücken) keine Kaufverhandlungen geführt werden könnten. Zehn Jahre später konnte die Familie dann wenigstens das Grundstück erwerben, auf dem sie ihr Eigenheim erbaut hatte. Der Ankauf des Nachbargrundstücks scheiterte jedoch weiterhin. Da sich die Familie bisher nicht einvernehmlich mit der Städtischen Wohnungsgesellschaft und der Stadt einigen konnte, wandte sie sich an den Bürgerbeauftragten.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Die übermittelten Dokumente der Familie sind vom Bürgerbeauftragten gesichtet und sorgfältig geprüft worden. Bis heute kam für das Nachbargrundstück kein notariell beurkundeter Kaufvertrag zustande, obwohl die Eheleute auch für dieses Grundstück bereits gezahlt hatten. Die Familie hat also für ihr Geld keine Gegenleistung erhalten. Theoretisch kommen damit zwei Lösungsmöglichkeiten in Frage: entweder erhält die Familie noch das, wofür sie bezahlt hat, also Eigentum am Grundstück, oder sie erhält eine rechtliche Absicherung der Zufahrtsmöglichkeit und der Versorgungsleitungen sowie ihr Geld zurück.
Allerdings besagt der Grundsatz der Vertragsfreiheit, dass jeder frei in seiner Entscheidung ist, ob er einen Vertrag abschließt und wenn ja mit wem. Ein Vertragsschluss kann also nicht erzwungen werden. Da die Städtische Wohnungsgesellschaft das besagte Grundstück aber definitiv nicht verkaufen wollte, schied diese Lösungsmöglichkeit aus.
Die unabhängige Begleitung, Prüfung und Vermittlung durch den Bürgerbeauftragten ermöglichte letztlich aber doch eine gütliche Einigung und einvernehmliche Lösung: die Familie, die Wohnungsgesellschaft und die Stadt kamen angesichts des über 23 Jahre recht misslichen Verlaufs der Angelegenheit überein, dass die Zufahrt und die Leitungen mit der Eintragung zweier persönlicher Dienstbarkeiten rechtlich gesichert werden und die Stadt den für das zweite Grundstück bereits erhaltenen Kaufpreis an die Familie zurückerstattet.
(Stand: März 2015)