Eine Rinderherde auf Abwegen – wer muss den Polizeieinsatz bezahlen?
Ein Bürger hatte für einen Polizeieinsatz einen Kostenbescheid von der Landespolizeidirektion erhalten. Hintergrund war, dass der zur Zahlung aufgeforderte Bauer Halter einer Rinderherde war. Bereits mehrfach sei, so schilderte es der Mann gegenüber dem Bürgerbeauftragten, die Weidesicherung von einem Dritten zerstört worden, so dass die Tiere die Weide unkontrolliert hätten verlassen können. In diesem Zusammenhang habe es auch schon gerichtliche Verfahren gegen den Verursacher gegeben.
Nun war es erneut zu einem Vorfall dieser Art gekommen, der einen Polizeieinsatz zur Gefahrenabwehr nach sich zog, weil die freilaufenden Rinder auf einer öffentlichen Straße unterwegs waren. Der nun für die Kosten des Polizeieinsatzes in Anspruch genommene Tierhalter konnte die Forderung der Polizei überhaupt nicht nachvollziehen, da er sich kein Versäumnis vorzuwerfen hatte. Im Rahmen der verwaltungsverfahrensrechtlichen Anhörung hatte er deshalb der Kostenforderung widersprochen und bat nun den Bürgerbeauftragten in der Sache um Hilfe.
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Lösungsansatz und Ergebnis:
Wenn Weidetiere, noch dazu größere wie Rinder, selbstständig und unbeaufsichtigt auf einer öffentlichen Straße „spazieren gehen“, ist dies eine die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer hochgradig gefährdende Situation. Schließlich kann es jederzeit zu einem Unfall mit Sach- und Personenschaden kommen. Im Juristendeutsch heißt das „Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“.
Wer in einem solchen Gefahrenfall die Verantwortlichkeit für den Zustand von Sachen oder das Verhalten von Tieren hat, bestimmt § 8 des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Geht von einer Sache oder einem Tier eine Gefahr aus, so heißt es dort in Absatz 1, sind die Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten, soweit die jeweilige Situation nicht ein anderes Vorgehen erfordert. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift können Maßnahmen aber auch gegen den Eigentümer oder einen anderen Berechtigten gerichtet werden.
Kann ein solcher im polizeirechtlichen Sinne ‚Verantwortlicher‘ in einem Gefahrenfall aber nicht oder nicht rechtzeitig erreicht und selbst tätig werden, wird die Polizei zur Gefahrenabwehr tätig (= sog. unmittelbare Ausführung einer Maßnahme, § 9 PAG). Entstehen der Polizei durch eine solche Maßnahme Kosten, so ist der eigentlich Verantwortliche zum Ersatz verpflichtet (§ 9 Abs. 2 PAG). Deshalb war der Tierhalter gegenüber der Polizei erst einmal zum Ersatz der durch den Polizeieinsatz entstandenen Kosten verpflichtet. Darauf, dass die Tiere ohne sein Verschulden, sondern durch die Handlung eines Dritten freilaufend waren, kommt es in diesem rechtlichen Verhältnis zwischen dem Tierhalter und der Polizei zunächst nicht an. Die für den Polizeieinsatz entstandenen Kosten kann der Tierhalter aber natürlich vom eigentlichen Verursacher ersetzt verlangen.
Diese Erläuterungen des Bürgerbeauftragten konnte der Bürger nachvollziehen. Sein Verständnis der Angelegenheit war nämlich auch dadurch sehr erschwert worden, dass der an ihn gerichtete Bescheid der Landespolizeidirektion sehr schwer verständlich formuliert und in der Begründung zudem unvollständig war. Dies insbesondere deshalb, weil die einzelfallbezogene rechtliche Würdigung des konkreten Lebenssachverhaltes an Hand der Tatbestandsmerkmale des § 8 PAG fehlte bzw. auf diese Norm gemeinsam mit einer anderen - hier gar nicht einschlägigen - Vorschrift nur allgemein in Bezug genommen wurde.
Da sich der Bürgerbeauftragte im Rahmen seiner Zuständigkeit auch sehr für eine verständlichere Behördensprache und die (bessere) Nachvollziehbarkeit behördlicher Schreiben für Bürgerinnen und Bürger einsetzt, nahm er im geschilderten Fall zusätzlich Kontakt mit der Landespolizeidirektion auf. Er sensibilisierte für den (Verstehens-)Mangel und warb für eine für Laien nachvollziehbarere Gestaltung von solchen Kostenbescheiden.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.