Niederlassungserlaubnis mit Hindernissen
Ein ausländischer Bürger, der bereits mehrere Jahre in Thüringen lebte und als Apotheker tätig war, hatte im März 2020 bei der zuständigen Ausländerbehörde einen Antrag auf Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels in Form einer Niederlassungserlaubnis gestellt.
Lange Zeit hörte er nichts von der Behörde. Da dem Bürger bekannt war, dass es aufgrund der Corona-Pandemie in vielen Verwaltungsbereichen längere Bearbeitungszeiten gab, übte er sich aber in Geduld.
Als eines Tages sein nationaler Reisepass abgelaufen war und sich eine Neuausstellung verzögerte, bemerkte der Bürger, dass die ihm von der Ausländerbehörde als vorläufiger Aufenthaltstitel ausgestellte sog. Fiktionsbescheinigung keinen ausreichenden Identitätsnachweis darstellt. Bei dieser Fiktionsbescheinigung handelt es sich um die Bescheinigung über ein Aufenthaltsrecht, welche für den Fall ausgestellt wird, dass ein Antrag auf Erteilung oder auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gestellt wurde. Bis zur Entscheidung über den Antrag gilt der Aufenthalt gemäß § 81 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) als fortbestehend. Diese Fiktionsbescheinigung, die relativ formlos auf einem A4 Blatt ausgestellt wird, wird im Rechtsverkehr als Nachweis der Identität aber nicht anerkannt. Der Bürger fragte daher bei der Behörde nach dem Sachstand und drängte auf eine abschließende Entscheidung, da mit der fehlenden Möglichkeit des Identitätsnachweises etliche praktische Beeinträchtigungen im täglichen Leben verbunden sind.
Da er auf seine wiederholten Anfragen aber keine Antwort erhielt und zwischenzeitlich fast zwei Jahre seit Antragstellung vergangen waren, bat er den Bürgerbeauftragten um Unterstützung.
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Lösungsansatz und Ergebnis:
Auf Nachfrage des Bürgerbeauftragten teilte die zuständige Ausländerbehörde mit, dass die Bearbeitung des Antrages noch nicht habe abgeschlossen werden können, da vorher noch ein sogenanntes „Sicherheitsgespräch“ mit dem Amt für Verfassungsschutz durchgeführt werden müsste.
Das Amt für Verfassungsschutz regt Sicherheitsgespräche beim Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz (TMMJV) an, welches im Zuge der Verlängerung eines Aufenthaltes gemäß § 73 AufenthG beteiligt wird. Da gemäß § 5 Abs. 4 AufenthG bei Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach § 54 AufenthG ein Aufenthaltstitel nicht erteilt bzw. verlängert wird, soll im Rahmen dieser Gespräche ermittelt werden, ob ein solcher Ausweisungsgrund (z.B. die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung) vorliegt.
Im Spätherbst 2021 war die Corona-Pandemie-Lage aber wieder so prekär, dass das Amt für Verfassungsschutz keine Außentermine mehr wahrnahm und gemeinsame Sicherheitsgespräche mit der Ausländerbehörde und Betroffenen nicht stattfanden.
Der Bürgerbeauftragte hatte dafür wenig Verständnis. Denn eine zweijährige Bearbeitungszeit war aus seiner Sicht auch vor dem Hintergrund der fortdauernden Corona-Pandemie nicht mehr zu vertreten. Mit Hinweis auf die lange Bearbeitungsdauer bat er das Amt für Verfassungsschutz um Prüfung, ob in dem speziellen Fall des Bürgers ggf. ausnahmsweise doch zeitnah ein Termin für ein Sicherheitsgespräch vereinbart werden könnte. Mit Erfolg. Bereits einen Monat später konnte durch die Vermittlung des Bürgerbeauftragten das Gespräch stattfinden. Einer abschließenden Entscheidung der Ausländerbehörde stand damit nichts mehr im Wege.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Stand: 2022