Kein Pass, keine Aufenthaltsverlängerung?
Menschen, die sich auf der Flucht befinden, haben meist nur das Nötigste bei sich. Zwar gehören Identitätspapiere häufig dazu, aber auch die können auf dem Weg verloren gehen. So war es einem Iraker und seiner Familie ergangen. Denn: Schlepper, die sie über die Grenzen begleitet hatten, hatten ihnen die Pässe abgenommen und nur Kopien derselben belassen.
Die Familie war zwischenzeitlich in Deutschland als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt worden. Diesen Schutzstatus erhalten Personen, denen bei einer Abschiebung in ihr Herkunftsland ein ernsthafter Schaden drohen würde und die den Schutz ihres Herkunftslandes nicht in Anspruch nehmen können.
Die zuständige Ausländerbehörde hatte die Kopien der Reisepässe der Familie bisher soweit anerkannt. Als der Reisepass der minderjährigen Tochter aber zeitlich abzulaufen drohte, war die Familie aufgefordert worden, bei der Botschaft ihres Landes vorstellig zu werden und einen neuen Pass zu beantragen.
Die Familie, die befürchtete, von der Botschaft den gewünschten Pass ggf. sowieso nicht erhalten zu können, weigerte sich zunächst, der Aufforderung nachzukommen. Auch die zu erwartenden hohen Kosten für neue Pässe und der Aufwand schreckten sie ab. Allerdings lief in dieser Zeit auch die zeitlich befristete Aufenthaltserlaubnis der Tochter ab und die Ausländerbehörde weigerte sich, diese zu verlängern, solange kein gültiges Passdokument vorgelegt werde. Dies verunsicherte die Familie aber erheblich und sie bat den Bürgerbeauftragten um Unterstützung.
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Lösungsansatz und Ergebnis:
Der Bürgerbeauftragte prüfte den Sachverhalt und konnte der Familie zunächst die Angst nehmen, dass der Aufenthaltstitel der Tochter nicht verlängert werden würde. Denn auch ohne gültigen Pass hat sie als subsidiär Schutzberechtigte (nach § 25 Abs. 2 S. 1,2 AufenthG) einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis.
So ist nach § 5 Abs. 3 S. 1 AufenthG von der Erfüllung der Passpflicht abzusehen, wenn ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 S. 1 2. Alt AufenthG (subsidiärer Schutz) oder 25 Abs. 3 AufenthG erteilt oder verlängert wird (vgl. § 8 Abs. 1 AufenthG). Die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist in diesen Fällen nicht von der Erfüllung der Passpflicht nach § 3 Abs. 1 AufenthG abhängig zu machen.
Gleichzeitig wies der Bürgerbeauftragte die Bürger aber darauf hin, dass sie unabhängig davon grundsätzlich die Pflicht haben, an der Passbeschaffung mitzuwirken.
Denn nach § 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) dürfen Ausländer nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen. Besitzt der Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz, ist er verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken, § 48 Abs. 2 AufenthG.
Das Argument, dass es schwierig und teuer sei, nationale Pässe zu erhalten, entbindet nicht von dieser Verpflichtung zur Mitwirkung. Wenn sich im Verlauf der Antragstellung aber Anhaltspunkte ergeben, dass die Passbeschaffung tatsächlich unzumutbar oder unmöglich ist, und kann dies gegenüber der Behörde glaubhaft gemacht werden, kann alternativ die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer nach § 5 Abs. 1 AufenthV beantragt werden.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Stand: 2023