Erotische Dienstleistungen in einer thüringischen Kleinstadt?
Eine Bürgerin wandte sich mit der Bitte um Unterstützung an den Bürgerbeauftragten, weil sie mit ihrem Anliegen von einer Behörde zur anderen geschickt worden war und noch immer ohne verlässliche Auskunft zur Sache dastand. Worum ging es?
Die Bürgerin strebte den Erhalt einer behördlichen Erlaubnis zur Ausübung der Prostitution an und schilderte, sie gehe ihrer Tätigkeit derzeit auf der Grundlage einer entsprechenden Erlaubnis in einer kreisfreien Stadt Thüringens nach. Aus verschiedenen Gründen, so schilderte sie, wolle sie sich nun aber örtlich verändern, in einer ihrem Wohnort nahegelegenen Kleinstadt ein Haus kaufen und zukünftig dort gewerblich tätig sein. Deshalb habe sie sich auch schon mit mehreren Stellen (städtisches Ordnungsamt, Gewerbebehörde beim Landratsamt) in Verbindung gesetzt, sei aber jeweils weiterverwiesen worden. Beim Landratsamt habe man schließlich auf das Verbot der Prostitution in Gemeinden bis zu 30.000 Einwohnern verwiesen. In dieser Situation wollte die Bürgerin nun wissen, woran sie rechtlich ist und bat den Bürgerbeauftragten um Klärung.
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Lösungsansatz und Ergebnis:
Der Bürgerbeauftragte sah die „Thüringer Verordnung über das Verbot der Prostitution – ProstVO -“ vom 24.04.1992 als einschlägig an. Darin ist das vom Landratsamt benannte Verbot der Prostitution in Gemeinden bis zu 30.000 Einwohnern festgeschrieben. Der Verordnung zufolge können aber einzelne Gemeinden von diesem Verbot der Prostitution ausgenommen sein oder werden. Deshalb band der Bürgerbeauftragte das Thüringer Landesverwaltungsamt in die Prüfung des Sachverhaltes mit ein.
Das Landesverwaltungsamt machte zunächst klar, dass die Einwohnerzahl der Kleinstadt, in der sich die Bürgerin mit ihrem Gewerbe niederlassen wollte, definitiv deutlich unter der Marke von 30.000 liege, weshalb die Kommune unter das Prostitutionsverbot der Verordnung falle. Durch Rechtverordnung könnten aber in „besonders begründeten Fällen“ zwar einzelne Gemeinden mit deren Zustimmung ganz oder teilweise von dem Verbot ausgenommen werden. Ein solcher „besonders begründeter Fall“ liege hier aber nicht vor.
Zur Begründung seiner Sicht der Dinge verwies das Thüringer Landesverwaltungsamt darauf, dass es sich bei der Wendung „in besonders begründeten Fällen“ in § 1 Satz 2 ProstVO um einen unbestimmten Rechtsbegriff handele, der der Auslegung bedürfe. Laut Begründung des Verordnungsentwurfs aus dem Jahre 1992 solle durch die Ausnahmevorschrift des § 1 Satz 2 ProstVO „besonderen gesellschaftlichen Entwicklungen“ Rechnung getragen werden können. Der Begriff „in besonders begründeten Fällen“ könne nach dem Sinn und Zweck des Prostitutionsverbotes, dem Schutz von Kindern und Jugendlichen in Gemeinden bis zu 30.000 Einwohnern, somit nur dahingehend verstanden werden, dass es in solchen Gemeinden „besonderer gesellschaftlicher Entwicklungen“ bedürfe, um eine Ausnahme von dem Verbot rechtfertigen zu können. Es müsse sich um Veränderungen („Entwicklungen“) der örtlichen und/oder regionalen gesellschaftlichen bzw. sozialen Strukturen handeln, die zu einem besonders erhöhten Bedarf an sexuellen Dienstleistungen geführt hätten und der nur durch die örtliche oder regionale Zulassung von Prostitution gedeckt werden könne. Das Landesverwaltungsamt machte in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz aufmerksam, demzufolge eine Ausnahme vom flächendeckenden Prostitutionsverbot nur bei Vorliegen atypischer Strukturen gerechtfertigt werden könne, die den Schutzbedarf hinsichtlich der Jugend oder des öffentlichen Anstands mindern oder aufheben. Dies, so die Richter, werde in der Rechtsprechung insbesondere dann angenommen, wenn z. B. eine kleine oder mittlere Gemeinde direkt an eine Großstadt grenzt und die Gemeindegrenzen nicht mehr erkennbar sind.
Diese Aspekte könnten, so das Landesverwaltungsamt, bei der hier von der Bürgerin für ihre gewerbliche Tätigkeit in den Blick genommenen Kleinstadt aber allesamt nicht erkannt werden. Deshalb werde eine Genehmigungsfähigkeit des erotischen Dienstleistungsangebots der Bürgerin im gegebenen Fall nicht gesehen.
Diese rechtliche Beurteilung des Sachverhalts war aus Sicht des Bürgerbeauftragten nicht angreifbar, weshalb er in diesem Fall darauf beschränkt war, der Bürgerin diese Rechtslage verständlich zu erläutern.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir ggf. auf eine detaillierte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Stand: 2024