Tagesmütter - werden eigene Kinder bei der zulässigen Gesamtkapazität mit einbezogen?
Eine Bürgerin, die sich als Tagespflegeperson selbstständig machen wollte, wollte neben fünf „fremden“ Kindern auch ihr eigenes, bald ein Jahr altes Kind mitbetreuen. Dies hätte nach telefonischer Auskunft des Jugendamtes aber die Konsequenz, dass sie die Betreuungszulassung nur für vier fremde Kinder (statt normalerweise fünf) erhalten hätte. Im Ergebnis würde das Jugendamt dann auch weniger Erstattungen zahlen. Daraufhin befürchtete die Frau, dass sich die mit der Tagespflegetätigkeit angestrebte Selbständigkeit wirtschaftlich nicht tragen könnte. Sie bat den Bürgerbeauftragten um Prüfung, ob die Auskunft vom Jugendamt soweit richtig sei.
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Lösungsansatz und Ergebnis:
Ausgehend von § 43 Sozialgesetzbuch 8. Buch (SGB VIII) bedarf eine Person, die ein oder mehrere Kinder außerhalb des Haushalts der Erziehungsberechtigten dauerhaft betreut, der Erlaubnis.
§ 43 Abs. 3 SGB VIII regelt die Erlaubnis „zur Betreuung von bis zu fünf gleichzeitig anwesenden, fremden Kindern. Im Einzelfall kann die Erlaubnis für eine geringere Zahl von Kindern erteilt werden. Landesrecht kann bestimmen, dass die Erlaubnis zur Betreuung von mehr als fünf gleichzeitig anwesenden, fremden Kindern erteilt werden kann, wenn die Person über eine pädagogische Ausbildung verfügt; in der Pflegestelle dürfen nicht mehr Kinder betreut werden als in einer vergleichbaren Gruppe einer Tageseinrichtung…“.
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes geht es also um „fremde Kinder“. Eigene Kinder bleiben unberücksichtigt. Das ist auch schlüssig, denn § 43 betrifft die Notwendigkeit einer Erlaubnis für die Kindertagespflege. Die Betreuung eigener Kinder kann natürlich nicht Gegenstand einer behördlichen Erlaubnis sein.
Mit der Regelung des § 43 SGB VIII soll zum einen die ordnungsgemäße Betreuung der Kinder sichergestellt werden, insofern die Betreuungsperson den Kindern auch die notwendige Aufmerksamkeit schenken können muss. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine Betreuungsperson mit fünf Kindern noch ausreichend aufmerksam umgehen kann. Die gesetzliche Beschränkung auf fünf Kinder zielt aber nicht nur auf eine mögliche Überlastung der Kindertagespflegeperson, sondern wird vor allem auch als Kriterium für die Abgrenzung zur Betriebserlaubnis für Einrichtungen genutzt.
Im Einzelfall kann die Erlaubnis auch für eine geringere Zahl von Kindern erteilt werden, § 43 Abs. 3 S. 2 SGB VIII. Diese Bestimmung formuliert ein Regel-Ausnahmeverhältnis in der Weise, dass - im Hinblick auf eine Einschränkung der sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz ergebenden Berufsfreiheit der Betreuungsperson und auch zur Sicherung eines hinreichenden Angebots an Betreuungsplätzen - eine Beschränkung auf weniger als fünf Kinder nur im besonderen Einzelfall möglich ist, wenn ein sachlicher Grund dafür vorliegt und die Einschränkung verhältnismäßig ist.
Als solcher sachlicher Grund für eine Beschränkung auf weniger als fünf fremde Kinder soll z.B. in Betracht kommen, wenn bei einer Kindertagespflegeperson auf Grund ihrer individuellen häuslichen Konstellation die Platzverhältnisse beschränkt sind oder eine Überbeanspruchung droht. Bei der Betreuung von Kindern in Kindertagespflege neben eigenen Kindern und ggf. weiteren Kindern in Vollzeitpflege ist deshalb im Einzelfall genau zu prüfen, ob auf Grund des damit verbundenen Betreuungsaufwandes das Wohl der Kinder (noch) gewährleistet werden kann.
Mit dem Thüringer Kindergartengesetz (ThürKigaG) hat Thüringen „sein“ Ausführungsgesetz zum SGB VIII erlassen. Von der Option, Erlaubnisvoraussetzungen für die Zulassung von mehr als fünf gleichzeitig anwesenden Kindern in Kindertagespflege festzuschreiben, hat der Thüringer Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr bestimmt § 10 Abs. 1 ThürKigaG lediglich: „Eine Tagespflegeperson darf nicht mehr als fünf gleichzeitig anwesende Kinder in Kindertagespflege betreuen.“ Das besagt vom Regelungsgehalt - mit geringfügig anderen Worten - genau das Gleiche, wie § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII. Zwar verwendet das Thüringer Gesetz anders als der Bundesgesetzgeber nicht die Wendung „fremde Kindern“, bringt eben dies aber durch die Wendung „in Kindertagespflege“ zum Ausdruck, denn „in Kindertagespflege“ betreute Kinder sind im Rechtssinne begriffsnotwendig stets fremde und nicht eigene Kinder (vgl. § 43 Abs. 1 SGB VIII).
Im Ergebnis der Nachfrage konnte der Bürgerbeauftragte nur bestätigen, dass die Tagespflegeerlaubnis maximal für fünf fremde Kinder erteilt werden kann. Die einfache rechnerische Logik des Jugendamtes, dass die Betreuung eines eigenen Kindes automatisch zu Reduzierung der Erlaubnis auf vier Kinder führen müsse, konnte der Bürgerbeauftragte so nicht bejahen. Rechtlich denkbar ist grundsätzlich auch die Konstellation, dass fünf fremde Kinder in der Tagespflege und daneben das eigene Kind betreut werden. Hier braucht es eine Prüfung und Einzelfallentscheidung des Jugendamtes über die konkrete Situation (z.B. Alter der Kinder, Räumlichkeiten u.a.). Dies alles war aber in der telefonischen Auskunft des Jugendamtes überhaupt kein Thema gewesen.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
April 2023