Hartnäckigkeit und gute juristische Argumentation letztlich erfolgreich: Kostenübernahme für Dolmetscher bei Psychotherapie erreicht
Mit der besonderen sozialen Situation einer Geflüchteten hatte sich der Bürgerbeauftragte im vorliegenden Fall zu befassen. Ein ehrenamtlicher Vertreter der Migrantin hatte sich an den Bürgerbeauftragten gewandt und in ihrem Namen um Unterstützung bei der Gewährung von Dolmetscherkosten für eine Psychotherapie gebeten.
Der Vertreter schilderte, dass die Bürgerin im Jahr 2016 nach Deutschland geflüchtet sei. Im Laufe des Asylverfahrens habe sie sich von ihrem Mann getrennt. Inzwischen habe sie auch die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft erhalten. Aufgrund verschiedener Erlebnisse in Kindheit und Jugend bedürfe sie derzeit psychologischer Beratung und Unterstützung. Für die ärztliche Behandlung bzw. psychologische Aufarbeitung der Erlebnisse und Gewalterfahrungen sei jedoch ein Übersetzer (Sprachniveau C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens) notwendig, um eine Kommunikation zwischen der Bürgerin und der Psychotherapeutin zu ermöglichen.
Die Bürgerin bezog Leistungen nach dem SGB II und hatte in diesem Zusammenhang eine entsprechende Kostenübernahme für die Übersetzerkosten als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II bereits beim Jobcenter beantragt. Diese wurde seitens des Jobcenters – mit Verweis auf eine mögliche Kostenübernahme durch das Sozialamt gemäß § 73 SGB XII – aber abgelehnt. Doch auch die Krankenkasse verwehrte die Kostenübernahme; sie war nur bereit, im gesetzlichen Rahmen die Kosten für die Therapie zu tragen.
Da die Bürgerin jedoch weiterhin unter einer posttraumatischen Belastungsstörung litt, bemühte sich ihr Vertreter um eine Kostenübernahme durch das Sozialamt oder die Krankenkasse.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Aufgrund der Komplexität des Falls und der verschiedenen Rechtsfragen, die sich aus dem Anliegen ergaben, prüfte der Bürgerbeauftragte die rechtliche Lage ausführlich. Eigene Recherchen ergaben, dass bereits in früheren, ähnlich gelagerten Fällen Sozialgerichte die Sozialhilfeträger zur Übernahme der Dolmetscherkosten im Rahmen einer Psychotherapie verpflichtet hatten.
Der Bürgerbeauftragte nahm deshalb mit dem Jobcenter sowie dem Sozialamt des Landkreises Kontakt auf und bat beide um eine Stellungnahme zu dem Anliegen.
Das Sozialamt teilte nach längerer Zeit mit, dass nun auch der Widerspruch gegen die ursprüngliche Ablehnung der Kostenübernahme zurückgewiesen worden sei. Als Grund führte das Sozialamt u. a. aus, dass in einem ähnlichen Fall ein Sozialgericht bei der Anerkennung der Dolmetscherkosten nur auf traumatische Kriegserlebnisse abgestellt habe. Im Fall der Bürgerin handele sich jedoch um eine posttraumatische Belastungsstörung, die im Zusammenhang mit den lebensgeschichtlichen Ereignissen (Gewalt im Kindesalter, Gewalt in der Ehe, Trennung vom Ehepartner…) stünde. Dies begründe keinen Anspruch auf Übernahme der Dolmetscherkosten.
Für den Bürgerbeauftragten war dies nicht überzeugend. Er machte gegenüber der Behörde geltend, dass die dem Bescheid zugrunde liegenden rechtlichen Ausführungen so nicht nachvollziehbar seien. Insbesondere stoße es auf erhebliche rechtliche Bedenken, dass die Übernahme von Übersetzerkosten zur Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen einzig auf die Aufarbeitung von Kriegserlebnissen und deren Folgeproblematik beschränkt sein solle, nicht aber auf sonstige Gewalterfahrungen.
Die Tatsache, dass der dem Urteil des Sozialgerichts zugrunde liegende konkrete Einzelfall Kriegserlebnisse als Hintergrund für die zu behandelnden posttraumatischen Belastungsstörungen hatte, rechtfertige aus Sicht des Bürgerbeauftragten keineswegs die Annahme, dass die Übernahme von Übersetzerkosten im Allgemeinen einzig und allein auf Fälle der Aufarbeitung von Kriegserlebnissen beschränkt werden könne. Vielmehr könne es keine Rolle spielen, auf welchen Erlebnissen die fachkundig diagnostizierten posttraumatischen Belastungsstörungen beruhten. Entscheidend sei vielmehr, dass die Geflüchtete die von der Krankenkasse gewährten Leistungen zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung aus der Natur der Sache heraus (= Notwendigkeit von Gesprächskontakt) erst dann wirksam in Anspruch nehmen könne, wenn ihr hierfür ein Übersetzer zur Verfügung stehe.
Aufgrund dieser Argumentation und des Engagements des Bürgerbeauftragten erging dann letztlich ein Bescheid durch das Landratsamt. Dieses hob seinen ursprünglichen Bescheid auf und gewährte der Bürgerin unter Verweis auf § 73 SGB XII die Übernahme der Dolmetscherkosten. Das Sozialamt folgte somit der Argumentation des Bürgerbeauftragten und anerkannte die medizinische Notwendigkeit der Behandlung mit Hilfe eines Dolmetschers.
Auch wenn das Anliegen im Ergebnis zu einem guten Ende geführt werden konnte, so verbleibt doch ein bitterer Beigeschmack: Zwischen dem ersten Hilfeersuchen des Vertreters der Bürgerin und dem Widerspruchsbescheid, der die Übernahme der Dolmetscherkosten gewährte, war trotz aller Bemühungen des Bürgerbeauftragten fast ein Jahr vergangen. Für die Geflüchtete bedeutete dies, dass sie in dieser Zeit kaum psychotherapeutische Hilfe hatte, da ihr kein qualifizierter Dolmetscher zur Seite stand. Gerade auf diese Notwendigkeit hatte die behandelnde Psychotherapeutin jedoch mehrfach hingewiesen, wenn die Therapie erfolgreich sein solle. Nur dank des nachhaltigen Einsatzes des Bürgerbeauftragten konnte das Sozialamt dann letztlich zur Kostenübernahme bewogen werden.