Flurbereinigung – Ein „Buch mit sieben Siegeln“ gegen den Bürgerwillen?
In drei aufeinanderfolgenden Jahren hatte sich ein Bürger hilfesuchend an den Bürgerbeauftragten gewandt. Der Grund seiner Ausdauer: Ein für das Gebiet seiner Heimatgemeinde beabsichtigtes Flurneuordnungs- oder auch Flurbereinigungsverfahren. Ein Teil der davon voraussichtlich betroffenen Grundstückseigentümer hatten eine Interessengemeinschaft gebildet, deren Sprecher der Bürger war. Sie sahen das Verfahren als nachteilig an und aus ihrer Sicht bestand auch kein Bedarf für die Flurneuordnung, zumal deren Erforderlichkeit auch von den landwirtschaftlichen Betrieben, denen sie eigentlich dienen soll, in Zweifel gezogen werde. Deshalb argwöhnten der Bürger und die Interessengemeinschaft, dass sich die Gemeinde zu ihrem Nutzen und gegen den erklärten Bürgerwillen durchsetzen wolle und ihr hierbei von der für die Flurbereinigung zuständigen Fachbehörde sogar noch Unterstützung geleistet werden solle.
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Lösungsansatz und Ergebnis
In dem vorgetragenen Fall sorgte der Bürgerbeauftragte durch die Bereitstellung und geduldige Vermittlung umfangreicher Informationen für Klarheit bzw. besseres Verständnis:
Rechtliche Grundlage für ein Flurbereinigungsverfahren ist ein Bundesgesetz, nämlich das Flurbereinigungsgesetz (FlurbG). Danach kann zur Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie zur Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung ländlicher Grundbesitz durch Maßnahmen nach diesem Gesetz neugeordnet werden (Flurbereinigung). Die Flurbereinigung wird in einem behördlich geleiteten Verfahren innerhalb eines bestimmten Gebietes (Flurbereinigungsgebiet) unter Mitwirkung der Gesamtheit der beteiligten Grundeigentümer und der Träger öffentlicher Belange sowie der landwirtschaftlichen Berufsvertretung durchgeführt. Auf der Internetseite des Thüringer Landesamtes für Bodenmanagement und Geoinformation (https://tlbg.thueringen.de/flurbereinigung-bodenordnung/flurbereinigung) heißt es dazu: „Flurbereinigung verbindet zweckmäßige Neuordnung von ländlichem Grundbesitz mit Investitionen in die Infrastruktur im ländlichen Raum. Durch die Verbindung dieser beiden Komponenten dient die Flurbereinigung wie kein anderes Instrument dem Anspruch des ganzheitlichen Entwicklungsansatzes für die ländlichen Räume.“
Das für die Flurbereinigung fachlich zuständige Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft ergänzt: „Flurbereinigungsverfahren bieten eine Fülle von Gestaltungs- und Ausgleichsmöglichkeiten, mit denen es aller Erfahrung nach gelingt, ein hohes Maß an Zustimmung zu erzielen. Der hoheitliche Charakter der Flurbereinigung ermöglicht aber auch da rechtlich tragfähige Lösungen, wo Einzelinteressen zu Lasten des Gemeinwohls überhand zu nehmen drohen. In Bezug auf die aktuellen Diskussionen zur aktiven Bürgerbeteiligung und -mitwirkung an Planungsprozessen verdient besondere Beachtung, dass für die Orientierung der Thüringer Landentwicklung generell, in den Flurbereinigungsverfahren aber ganz besonders aktive Bürgerbeteiligung nicht nur Orientierung, sondern vor allem gesetzlich auferlegtes Handeln ist.“ (https://infrastruktur-landwirtschaft.thueringen.de/unsere-themen/vermessung/flurbereinigung).
In Anbetracht dessen und angesichts der Verpflichtung der Flurbereinigungsbehörde, vor der Anordnung des Verfahrens die voraussichtlich betroffenen Grundstückseigentümer eingehend zu informieren, konnte der Bürgerbeauftragte dem Bürger und der Interessengemeinschaft deren Sorge nehmen, stillschweigend übergangen zu werden.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Stand: 2022