Fußgängerüberweg soll entfernt werden
Der Bürgermeister und eine ehemalige Einwohnerin eines kleinen Ortes bemühten sich um den Erhalt des örtlichen Fußgängerüberwegs. Der Überweg war bereits mehrere Jahrzehnte eingerichtet und diente - im unmittelbaren Nahbereich eines Kindergartens - den Kleinen nicht nur als sichere Straßenquerung, sondern auch als Anschauungs- und Übungsobjekt zur Verkehrserziehung. Nun also sollte der Fußgängerüberweg beseitigt werden. Das Land Thüringen als Straßenbaulastträger vertrat die Meinung, der Zebrastreifen entspräche nicht den aktuellen Sicherheitsvorschriften. Statt des Fußgängerüberwegs sollte eine auf die Öffnungszeiten des Kindergartens beschränkte Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h angeordnet werden.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Der Bürgerbeauftragte bat die ausführende Straßenverkehrsbehörde des Landkreises um Stellungnahme. Von dort schilderte man, dass die Landesbehörde bemängelt habe, der Fußgängerüberweg sei im Sinne der „Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen 2001“ nicht rechtzeitig erkennbar. Diese Richtlinien besagen, dass der Fußgängerüberweg bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h auf 100 Metern erkennbar sein muss. Da eine erweiterte Beschilderung des Zebrastreifens zugunsten einer besseren Erkennbarkeit vom Freistaat Thüringen als Straßenbaulastträger nicht vorgenommen wurde, ordnete die örtliche Straßenverkehrsbehörde übergangsweise eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h an. So war die Erkennbarkeit auf eine Entfernung von nun nur noch 50 Metern gegeben. Gegen diese sehr praktische Lösung wandte sich das Land. Es vertrat die Auffassung, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung zugunsten der Erkennbarkeit des Fußgängerüberwegs nicht zulässig ist. Eine Geschwindigkeitsreduzierung zur Erhöhung der Sicherheit des angrenzenden Kindergartens sei hingegen zulässig. Im Übrigen sei die von den „Richtlinien über die Anlagen und Ausstattung von Fußgängerüberwegen 2001“ (R-FGÜ 2001) vorgeschriebene Mindestfrequenz an Fußgängern pro Stunde nicht erreicht. Der Fußgängerüberweg müsse also in jedem Fall weg.
Der Bürgermeister hielt diese Situation wie auch viele Einwohner für nicht nachvollziehbar und legte gegen die verkehrsrechtliche Anordnung zur Beseitigung Rechtsmittel ein.
Der Bürgerbeauftragte beobachtet, dass sich die Fälle häufen, in denen insbesondere an Landesstraßen verkehrsberuhigende Maßnahmen durch die Bürger gewünscht werden, aber rechtlich nicht umsetzbar sind. Die örtlichen Straßenverkehrsbehörden werden durch die obersten Landesbehörden angehalten, die R-FGÜ 2001 im Regelprinzip zu prüfen. Allerdings unterbleibt die Prüfung des Regel-Ausnahme-Prinzips nach der hiesigen Wahrnehmung oft. So regelt die R-FGÜ 2001 insbesondere auch, dass außerhalb des empfohlenen Einsatzbereiches Fußgängerüberwege in begründeten Ausnahmefällen angeordnet werden können. Andere Bundesländer definieren diese begründeten Ausnahmefälle. So hat Baden-Württemberg den Einsatzbereich von Fußgängerüberwegen gezielt dort erweitert, wo besonders schutzbedürftige Personen die Straße regelmäßig überqueren. Besonders schutzbedürftig in diesem Sinne sind Kinder, Mobilitätseingeschränkte und ältere Menschen. Leider macht Thüringen aber hiervon keinen Gebrauch.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Stand: 8/2023