Klärschlammverbrennungsanlage im Ort von Bürgern nicht gewollt
In einer Thüringer Gemeinde gab es Pläne, eine große Klärschlammverbrennungsanlage zu errichten. Der zukünftige Betreiber hatte bereits ein passendes Grundstück erworben, als sich Anwohner mit ihren Bedenken gegen die geplante Anlage mit der Bitte um Beratung an den Bürgerbeauftragten wandten. Die Anwohner befürchteten zum einen negative Auswirkungen aufgrund des zu erwartenden erhöhten Verkehrsaufkommens durch die Belieferung der Anlage. Zum anderen kritisierten sie, dass sie als Bürger der Gemeinde nicht beteiligt worden waren.
Accordion
Lösungsansatz und Ergebnis
Der Bürgerbeauftragte prüfte den Sachverhalt und informierte die Bürger über den gegenwärtigen Stand des geplanten Vorhabens sowie über die Voraussetzungen der Genehmigung einer solchen Anlage.
In Artikel 14 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland werden das Eigentum und seine prinzipiell unbeschränkte Nutzung verfassungsrechtlich gewährleistet. § 903 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) formt diese Garantie näher aus, indem er bestimmt: "Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen." Natürlich hat ein Grundstückseigentümer bei der Nutzung und insbesondere Bebauung seines Grundstücks keine „Narrenfreiheit“, sondern muss sich an geltende Regeln halten. Die Regeln für die bauliche Nutzbarkeit von Grund und Boden finden sich vor allem im Bauplanungsrecht und weitergehend in der Baunutzungsverordnung. Das Bauplanungsrecht unterscheidet die Flächenkategorien Außenbereich, unbeplanter Innenbereich und Geltungsbereich eines Bebauungsplanes. Ein Bebauungsplan (verkürzt: B-Plan) regelt die Art und Weise der möglichen Bebauung von parzellierten Grundstücken und die Nutzung der in diesem Zusammenhang stehenden von einer Bebauung frei zu haltenden Flächen. Im B-Plan legt eine Gemeinde als Satzung (Ortsgesetz) fest, welche Nutzungen auf einer Fläche zulässig sind.
Für das betreffende Gebiet gab es einen B-Plan, demzufolge es sich um ein Gewerbegebiet handelte. In einem solchen Gewerbegebiet sind bestimmte (bauliche) Nutzungen zulässig. Wenn sich ein geplantes Vorhaben im Rahmen dieser zulässigen Nutzungen bewegt, hat der Vorhabenträger Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung.
Nun gibt es allerdings Nutzungen bzw. bauliche Vorhaben, die nicht nur baurechtlich relevant sind, sondern – weil von ihnen beispielsweise schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen können - zugleich auch andere Rechtsbereiche betreffen, etwa das Immissionsschutzrecht. Diese Vorhaben bedürfen dann auch einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
Für den Bau einer Klärschlammverbrennungsanlage ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nötig. Die dafür zuständige Genehmigungsbehörde ist das Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN). Ein derartiges Genehmigungsverfahren erfolgt stets unter Beteiligung der Öffentlichkeit, insofern hat die Öffentlichkeit im Verfahren die Möglichkeit, in die öffentlich auszulegenden Unterlagen Einsicht zu nehmen und sich mit Einwendungen an das TLUBN zu wenden. Die Einwendungen werden dann im Rahmen eines öffentlichen Termins erörtert. Im Beteiligungsverfahren werden auch die Genehmigungsvoraussetzungen geprüft.
Beim TLUBN, an das der Bürgerbeauftragte sich mit der Bitte um Auskunft zum Sachstand des konkreten Verfahrens gewandt hatte, lag zum Zeitpunkt der Anfrage jedoch noch gar kein Antrag des zukünftigen Betreibers der Anlage vor. Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren war also noch gar nicht angelaufen.
Ausgehend davon konnten die Bürger hinsichtlich ihres Anliegens zum einen über den aktuellen Stand der Bearbeitung und zum anderen darüber informiert werden, dass es für die Errichtung und den Betrieb einer solchen Anlage rechtliche Regeln und Verfahrensvorgaben gibt. Klar ist aber auch, werden die Verfahren eingehalten und entspricht das Vorhaben den Regeln, besteht für den Bauherrn ein Anspruch auf eine Genehmigung.
Soweit die Bürger kritisiert haben, dass es vor dem Grundstücksverkauf und der Planung keine Bürgerbeteiligung gegeben habe, konnte der Bürgerbeauftragte die Bedenken der Bürger durchaus nachvollziehen, musste ihnen aber mitteilen, dass derlei Beteiligung rechtlich nicht vorgesehen ist.
Ein Grundstücksan- bzw. –verkauf betrifft nur die beiden Vertragspartner und ist keine Sache der Öffentlichkeit. Deren Beteiligung bei einem B-Plan-Verfahren oder – wie hier – immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren unterliegt hinsichtlich des ‚Wann‘ und ‚Wie‘ konkreten rechtlichen Vorgaben.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.
Stand: 2023