Wilder Habicht oder zahme Zucht? Falkner beantragt Aushorstgenehmigung eines Jungvogels
Ein außergewöhnliches Anliegen erreichte den Bürgerbeauftragten im Sommer des Jahres: Ein Falkner hatte bei der Unteren Jagdbehörde die Genehmigung beantragt, einen jungen Habicht aus seinem Horst entnehmen zu dürfen. Diese sogenannte Aushorstgenehmigung können Falkner beantragen, wenn sie einen Vogel zur Beizjagd abrichten wollen und z.B. keine gezüchteten Vögel zu erhalten sind. Die Genehmigung ist an strenge natur- und artenschutzrechtliche Bestimmungen geknüpft.
Auf seinen Antrag erhielt der Falkner erhielt zunächst die Nachricht der Jagdbehörde, dass eine Ablehnung beabsichtigt sei, da auch Habichte aus Züchtungen in Deutschland verkauft würden. Voraussetzung für eine Genehmigung sei jedoch, dass es zur Aushorstung keine andere zufriedenstellende Lösung gäbe, und berief sich dabei auf ein Gerichtsurteil aus Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2014. Vor dem Erlass des Bescheides werde dem Falkner aber Gelegenheit zur Äußerung im Rahmen einer schriftlichen Anhörung gegeben.
In seiner Stellungnahme erläuterte der Falkner daraufhin, dass in der für einen artgerechten Transport zumutbaren Umgebung keine gezüchteten Habichte zu kaufen wären. Außerdem sei die Habichtspopulation ausreichend groß, dass durch die Entnahme eines Jungvogels kein Schaden entstünde. Außerdem verwies er darauf, dass die Falknerei als immaterielles Kulturerbe der Menschheit durch die UNESCO gewürdigt sei und handaufgezogene Vögel für die Beizjagd weniger gut geeignet seien. Tiere aus freier Wildbahn haben in der Regel einen stärkeren Jagdtrieb als gezüchtete Exemplare. Dem Verweis auf ein mehrere Jahre altes Gerichtsurteil aus einem anderen Bundesland hielt er ein jüngeres Urteil aus Thüringen entgegen, demnach die Naturschutzbehörden gehalten sind, Anträge auf Aushorstung wohlwollend zu prüfen und sich mit der Alternativlosigkeit einer Aushorstung im Einzelfall auseinanderzusetzen.
Auf diese Stellungnahme erhielt der Falkner über sieben Wochen keine Antwort – und die Zeit, in der man einen Jungvogel aus dem Horst entnehmen kann, verrann. Deshalb wandte sich der Falkner an den Bürgerbeauftragten mit der Bitte um Vermittlung.
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Lösungsansatz und Ergebnis
Für praktisch jedes Rechtsgebiet gibt es im Team des Bürgerbeauftragen einen Experten – so auch für Umwelt- und Naturschutzrecht. Doch der Antrag auf Aushorstgenehmigung war auch in der breiten Vielfalt der Bürgeranliegen ein Novum. Und so bedurfte es einer tiefgehenden Recherche von europäischen, bundes- und landesrechtlichen Vorschriften, um eine juristisch fundierte Beurteilung vorzunehmen. Auch das angeführte Gerichtsurteil aus Nordrhein-Westfahlen wurde zur Einordnung des Sachverhalts herangezogen, da das Gericht in seiner Urteilsbegründung ausführlich und detaillreich Stellung zu den Voraussetzungen für die Erteilung von Aushorstgenehmigungen nimmt.
Da bei der Bewertung eines entsprechenden Antrags die Europäische Vogelschutzrichtlinie eine erhebliche Rolle spielt und auch kein jüngeres Gerichtsurteil sich mit einem vergleichbaren Fall befasst hat, konnte der Antrag des Thüringer Falkners auf dieser Grundlage bewertet werden. So ist für eine Aushorstgenehmigung zwingend vorausgesetzt, dass es keine andere zufriedenstellende Lösung zum Erwerb eines Habichts für die Falknerei gibt. Die Argumente des Thüringer Falkners, warum er einen Wildvogel aushorsten und nicht einen aus Zucht stammenden Vogel kaufen wollte, waren zwar nachvollziehbar, aber eben nicht die einzige sinnvolle Möglichkeit, um an einen jungen Habicht zu kommen. Eine Genehmigung konnte also nicht erteilt werden. Ein aus juristischer Sicht stichhaltiges Argument, das gegen den Erwerb eines Zuchtvogels spräche, war vom Falkner nicht vorgetragen worden und nach allgemeinem Dafürhalten auch künftig nicht ersichtlich.
Der Bürgerbeauftragte informierte den Falkner daher über die Möglichkeit, seinen Antrag ohne Gebühren zurücknehmen zu können oder den kostenpflichtigen, ablehnenden Bescheid zu erhalten.
Durch die coronabedingte lange Bearbeitungszeit des Antrags in der Jagdbehörde war das Zeitfenster für eine mögliche Aushorstung für die laufende Brutsaison ohnehin abgelaufen.
Zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger, die wir beraten, behalten wir uns vor, bei den geschilderten Fällen auf Namen und Ortsangaben zu verzichten oder sie so abzuwandeln, dass eine Identifikation ausgeschlossen werden kann. Zur besseren Verständlichkeit verzichten wir auf eine exakte Darlegung der Rechtslage, sind aber gerne bereit, diese auf Nachfrage zu erläutern.